Eine erst nach der Aufnahme der Tätigkeit durch den Arbeitnehmer vorgenommene nachträgliche Unterrichtung des Betriebsrats kann die Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG zu der bereits erfolgten Einstellung nicht bewirken.

BAG, Beschluss vom 21.11.2018 – 7 ABR 16/17

Die Arbeitgeberin hatte zum 01.10.2015 Herrn M als „Branch Manager“ eingestellt. Da sie ihn für einen leitenden Angestellten hielt, hatte sie den Betriebsrat lediglich nach § 105 BetrVG über die Einstellung unterrichtet, aber nicht die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG eingeholt. Der Betriebsrat verlangte gerichtlich die Aufhebung der Einstellung nach § 101 BetrVG. Im Anschluss an den Gütetermin unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat vorsorglich über die Einstellung. Der Betriebsrat widersprach mit der Begründung, dass die nachträgliche Anhörung zu einer bereits erfolgten Maßnahme unzulässig sei. Die Arbeitgeberin argumentierte in dem Verfahren, dass die Zustimmung nunmehr als nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG erteilt gelte, da der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung nicht in beachtlicher Weise begründet habe.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt, das LAG hob den Beschluss hingegen auf. Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

Das BAG entschied, wie das Arbeitsgericht, dass dem Betriebsrat der Anspruch nach § 101 BetrVG zusteht. Die Arbeitgeberin wurde verpflichtet, die Einstellung des Arbeitnehmers aufzuheben.

§ 101 BetrVG gibt dem Betriebsrat die Möglichkeit, gegen Verstöße des Arbeitsgebers bzgl. der Zustimmungspflicht bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG vorzugehen. Fehlt die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats ist die personelle Maßnahme aufzuheben.

Hier hatte die Arbeitgeberin den Mitarbeiter eingestellt, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Zwar kann der Arbeitgeber im Rahmen des Verfahrens einwenden, dass die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt gilt, wenn dieser seine Zustimmungsverweigerung nicht unter Angabe beachtlicher Gründe erklärt hat. Diese Voraussetzungen lagen aber nicht vor.

Das BAG betonte, dass nach § 99 Abs. 1 BetrVG eine Unterrichtung vor der Einstellung zu erfolgen habe. Nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts sei es grds. erforderlich, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einer Zeit erfolge, zu der noch keine abschließend und endgültige Entscheidung getroffen wurde bzw. eine solche noch ohne Schwierigkeiten revidiert werden könne. Die erst nach Aufnahme der tatsächlichen Beschäftigung im Betrieb erfolgte Unterrichtung sei deshalb nicht fristgerecht.

Mangels Vorliegen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung wurde die Frist für die Zustimmungsverweigerung somit gar nicht erst in Lauf gesetzt.

Ein Nachholen der Anhörung war nicht möglich, da die Arbeitgeberin nicht von der ursprünglichen Maßnahme Abstand genommen hatte, sondern die betriebsverfassungswidrige Maßnahme aufrechterhielt. Die Arbeitgeberin hätte somit von der beabsichtigten Einstellung Abstand nehmen müssen und das Mitbestimmungsverfahren zu einer neuen Einstellung einleiten müssen. Wie das BAG argumentiert, könne anderenfalls der Arbeitgeber die Beteiligung des Betriebsrats unterlassen, die personelle Maßnahme durchführen, abwarten, ob der Betriebsrat von sich aus durch Einleitung des Verfahrens nach § 101 BetrVG aktiv wird und erst dann die Beteiligung nachholen, ohne die Maßnahme aufheben zu müssen. Dies widerspräche der Grundkonzeption der personellen Mitbestimmung.

Praxistipp:

Die Entscheidung macht deutlich, dass auf die vorherige Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG geachtet werden sollte. Auch in Zweifelsfällen, z. B. wenn fraglich ist, ob ein Mitarbeiter leitender Angestellter ist, sollte vorsorglich vor der Einstellung die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt werden, um nicht Gefahr zu laufen, die Maßnahme später wieder rückgängig machen zu müssen.