(BVerfG, Beschluss vom 12.01.2016, Az. 1 BvR 3102/13)
Das Bundesverfassungsgericht hat sich per Beschluss vom 12. Januar 2016 zu der Frage geäußert, ob der Ausschluss juristischer Personen von der Bestellung als Insolvenzverwalter verfassungsgemäß ist oder nicht. Anlass war die Verfassungsbeschwer- de einer auf Insolvenzverwaltung spezialisierten Gesellschaft von Rechtsanwälten, welche zuvor die Aufnahme auf die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter eines Amtsgerichts vergeblich vor den Zivilgerichten zu erstreiten versucht hatte.
Die Bestellung von Insolvenzverwal- tern erfolgt in Deutschland durch die Amtsgerichte als Insolvenzgerichte. Diese verwenden in aller Regel Vor- auswahllisten, aus denen ein ihnen geeignet erscheinender Kandidat ausgesucht wird. Der Zugang zu die- sen Vorauswahllisten ist nicht gesetz- lich geregelt und steht weitgehend im Ermessen der Insolvenzgerichte. Eine gesonderte berufsrechtliche Regelung des Zugangs zur Tätigkeit als Insolvenzverwalter besteht nicht. Vielmehr müssen die Kandidaten nachweisen, dass sie über die erfor- derlichen Kenntnisse verfügen sowie die nötige Kompetenz und Unabhän- gigkeit aufweisen. Obwohl keine bestimmte Berufsausbildung oder Vorerfahrung vorgesehen ist, sind in der Praxis die meisten der bestell- ten Insolvenzverwalter zugleich Rechtsanwälte.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwalts-Gesellschaft zurück- gewiesen. Der Ausschluss juristischer Personen von der Aufnahme in die Vorauswahllisten der Insolvenzgerich- te und damit faktisch von der Be- stellung als Insolvenzverwalter ist aus Sicht des Gerichts verfassungsgemäß. Zwar sei die Beschwerdeführerin grundsätzlich in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen, jedoch sei dieser Eingriff gerechtfertigt.
Ziel des Insolvenzverfahrens sei die bestmögliche Befriedigung der Forde- rungen der Gläubiger und der Erhalt von Arbeitsplätzen. Ein wirkungs- volles Verfahren zur Durchsetzung festgestellter Ansprüche sei Teil einer funktionierenden Rechtspflege und in die Garantie effektiven Rechts- schutzes einbezogen. Deshalb liege ein funktionierendes Insolvenzver- fahren nicht nur im Interesse der einzelnen Gläubiger, sondern auch im öffentlichen Interesse.
Die von der Beschwerdeführerin angegriffene derzeitige Regelung in § 56 Abs. 1 S. 1 InsO sieht bereits nach ihrem Wortlaut eine Beschrän- kung auf natürliche Personen vor. Bereits während des Gesetzgebungs- prozesses war die Beschränkung auf natürliche Personen als Insolvenzver- walter umstritten. Dass der Gesetz- geber sich schließlich für die Be- schränkung entschied, wurde mit erhöhten Gefahren in den Bereichen Aufsicht, Haftung, Unabhängigkeit und etwaigen Interessenkollisionen begründet, welche man mit der Be- stellung von juristischen Personen verband.
Dies hat das Bundesverfassungsge- richt nun bestätigt. Die effektive Auf- sicht über die Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht sei ein legitimer Zweck der gesetzlichen Regelung. Die Art und Weise der Auf- sicht liege grundsätzlich im Ermessen des Insolvenzgerichts, welches dabei jedoch die Einschätzung der persön- lichen und fachlichen Qualität des
Insolvenzverwalters sowie die bisheri- ge vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht zu berücksichtigen habe. Fehle es hingegen infolge der Organisationsstruktur einer juristi- schen Person an einem unmittelba- ren, in allen Belangen allein entschei- dungsbefugten Ansprechpartner, sei die Effektivität der Aufsicht in Frage gestellt. Aufgrund der durch das In- solvenzgericht nicht beeinflussbaren Auswechselbarkeit der gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person fehle es an einem dauerhaften und verlässlichen Anknüpfungspunkt für die Feststellung der Eignung.
Auch die vorgeschlagene Konstruk- tion der Bestellung einer juristischen Person als Insolvenzverwalter unter gleichzeitiger Benennung einer natürlichen Person als persönlich verantwortlichem, ausübendem Verwalter hält das Bundesverfas- sungsgericht nicht für geeignet. Dies hätte zur Folge, dass die juristische Person das Verwalteramt innehätte, ohne es tatsächlich auszuüben, während die natürliche Person das Verwalteramt ausüben würde, ohne es tatsächlich innezuhaben. Die juristische Person werde dadurch lediglich auf einen Mechanismus zur Beschränkung der Haftung der natürlichen Person reduziert.
Auch eine engmaschigere Überwa- chung der Insolvenzverwalter sei nicht möglich, da hierzu bei den Insolvenzgerichten keine ausreichen- den Kapazitäten bestünden.
Zuletzt könnten die Beschwerdefüh- rerin sowie andere auf Insolvenzver- waltung spezialisierte Gesellschaften auch im Rahmen der bisherigen Ge- schäftspraxis, also der Bereitstellung von Personal- und Sachleistungen für Insolvenzverwalter, voraussichtlich weitgehend die gleichen wirtschaft- lichen Ergebnisse erzielen, wie es bei einer direkten Bestellung als Insolvenzverwalter der Fall wäre.
Fazit
Das Bundesverfassungsgericht bestä- tigt die bisherige Praxis der Beschrän- kung des Zugangs zum Amt des Insolvenzverwalters auf natürliche Personen. Die Entscheidung trägt zur Klärung einer bereits lange anhal- tenden Diskussion bei. Gleichzeitig ergeht sie wenig überraschend, da neben der Zivilrechtsprechung auch nahezu alle beteiligten Interessenver- bände von der Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung ausgegan- gen sind.