Die Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes schreitet voran. Das Vorhaben der Bundesregierung, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) noch in dieser Legislaturperiode zu novellieren, steht kurz vor dem Abschluss. Nachdem der erste Gesetzesentwurf deutliche Kritik aus allen Lagern erfahren hat und zwischenzeitlich vielfältige Anpassungen erfolgt sind, konnte schließlich ein politischer (wenn auch inhaltlich noch nicht zufriedenstellender) Durchbruch erzielt werden, indem das Bundeskabinett am 1.6.2016 den Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs bei Leiharbeit und Werkverträgen beschlossen hat. Es bleibt zwar noch abzuwarten, ob im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren weitere Anpassungen des Gesetzentwurfs durchgesetzt werden, das Inkrafttreten der Reform zum 1.1.2017 ist aber naheliegend. Die Zeiten bleiben somit spannend, wozu auch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung beiträgt, die den betrieblichen Arbeitsalltag konstant mit neuen Entscheidungen beeinflusst.
- Aktuelle Rechtsprechung
- Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten als Arbeitszeit
- Berücksichtigung der Arbeitszeit bei Anrechnung von Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs
- Kündigung bei Verstoß gegen Compliance-Regeln
- Rechtsfolgen eines unterlassenen Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX
- Strenges Schriftformerfordernis für Elternzeitverlangen
- Heilung der fehlerhaften Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG durch Stellungnahme des Betriebsrats
- Rechtsentwicklung
- Arbeitsrechtstag bei Oppenhoff & Partner
1. Aktuelle Rechtsprechung
1.1 Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten als Arbeitszeit
Nach einer Entscheidung des LAG Hessen (23.11.2015, Az. 16 Sa 494/15) stellen Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit dar, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Dies gilt in Fällen, in denen es sich um auffällige Schutzkleidung handelt, deren Tragen dem Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit nicht zugemutet werden kann, auch dann, wenn der Arbeitgeber keine Weisung erteilt hat, sich im Betrieb umzukleiden.
Im zugrundeliegenden Sachverhalt stritten die Parteien über die Gutschrift von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten auf dem Arbeitskonto. Der Kläger arbeitet im Müllheizkraftwerk der Beklagten. Er ist aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen dazu verpflichtet, während seiner Arbeitszeit Schutzkleidung zu tragen. Diese hat grelle Farben, ist mit einem großen Logo der Beklagten versehen und ist nach der Schicht extrem staubig und riecht unangenehm. Die Beklagte hat auf dem Werksgelände eine Umkleide mit Reinigungsmöglichkeit für die Schutzkleidung eingerichtet. Eine ausdrückliche Anweisung der Beklagten, sich im Betrieb umzuziehen, gab es nicht.
In beiden Instanzen bekam der Kläger Recht. Das LAG sah sowohl die Umkleidezeiten als auch die innerbetrieblichen Wegezeiten von der Umkleidestelle bis zum Arbeitsplatz als Teil der vom Kläger geschuldeten Arbeitszeit an. Zur Arbeitszeit gehöre jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses diene. Dazu zähle auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn das Tragen einer bestimmten Kleidung vorgeschrieben sei und das Umkleiden im Betrieb erfolgen müsse. Davon sei auch bei fehlender Weisung auszugehen, wenn ein Tragen der Kleidung in der Öffentlichkeit nicht zugemutet werden könne, was insbesondere bei farblich auffälliger Kleidung mit großem Firmenlogo der Fall sei, die bei Ausübung der geschuldeten Tätigkeit dreckig werde und rieche.
Über die bisherige Rechtsprechung des BAG zu Umkleide- und damit verbundenen innerbetrieblichen Wegezeiten hinaus kann somit vergütungspflichtige Arbeitszeit auch ohne eine ausdrückliche Weisung zum Umkleiden im Betrieb vorliegen. Es kommt im Ergebnis darauf an, ob dem Arbeitnehmer ein Tragen der Arbeitskleidung in der Öffentlichkeit und damit ein Umziehen zuhause zugemutet werden kann.
Nils-Frederik Wiehmann
1.2 Berücksichtigung der Arbeitszeit bei Anrechnung von Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs
Nach einem Urteil des BAG vom 24.2.2016 (Az. 5 AZR 425/15) ist bei der Anrechnung von Zwischenverdienst gemäß § 615 S. 2 BGB das Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten Arbeitszeit zu berücksichtigen. Damit schränkt das BAG bei der Anrechnung von Zwischenverdienst den Grundsatz der Gesamtberechnung ein und erlaubt ausschließlich das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch Verwendung desjenigen (zeitlichen) Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, den er eigentlich seinem Arbeitgeber hätte zur Verfügung stellen müssen.
In dem vom BAG zu entscheidenden Sachverhalt war die Klägerin bei der Beklagten 12 Stunden pro Woche beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis wurde wegen Betriebsschließung zum 31.12.2011 gekündigt. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses einigten sich die Parteien jedoch auf einen späteren Kündigungstermin und vereinbarten die Zahlung ausstehender Vergütung während des Annahmeverzugs für die Jahre 2012 und 2013. Da die Klägerin in diesen beiden Jahren in einem anderen Arbeitsverhältnis im Umfang von 17 Wochenstunden beschäftigt war, rechnete die Beklagte den Zwischenverdienst auf die Annahmeverzugsansprüche in voller Höhe an. Die Klägerin machte geltend, dass der Vergütungsanteil für die um 5 Stunden längere wöchentliche Arbeitszeit nicht anrechnungsfähig sei und erhob Zahlungsklage. Sie erhielt in allen drei Instanzen Recht.
Nach Auffassung des BAG ist für die Anrechnung von Zwischenverdienst nach § 615 S. 2 BGB die gesamte Dauer des Annahmeverzugs maßgeblich (Gesamtberechnung) und nicht nur der Zeitabschnitt des Annahmeverzugs, in dem die Klägerin anderweitig tätig war. Jedoch ist ausschließlich das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, den er nach seinen arbeitsvertraglichen Pflichten seinem Arbeitgeber hätte zur Verfügung stellen müssen. Anrechenbar war somit hier nicht der Verdienst für 17, sondern lediglich der für 12 Wochenstunden.
Zwar ist die nur anteilige Berücksichtigung des anderweitigen Verdienstes nachvollziehbar. Dennoch wirft die Entscheidung des BAG weitere Fragen auf. Was passiert z.B., wenn die Arbeitszeit schwankt oder sich der Betroffene selbständig macht? Wie wäre es, wenn die Klägerin den kompletten Annahmeverzugslohn in nur 10 Stunden erzielt hätte? Im Ergebnis überzeugt die Entscheidung des BAG nicht. Dennoch wird bei der Anrechnung von Zwischenverdienst in Zukunft ein genaues Augenmerk auf die Arbeitszeit gelegt werden müssen.
1.3 Kündigung bei Verstoß gegen Compliance-Regeln
Das LAG Rheinland-Pfalz (26.2.2016, Az. 1 Sa 358/15) hat entschieden, dass ein Verstoß gegen Compliance-Regeln nicht nur eine verhaltensbedingte, sondern auch eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen kann.
Der Kläger war Koordinator für Bautechnik im Unternehmen des beklagten Arbeitgebers. Der Verhaltenskodex des Arbeitgebers, zu dessen Einhaltung sich der Kläger verpflichtet hatte, enthielt Verbote von Korruption, Weitergabe von Informationen und Insiderhandel. Eine seitens der Beklagten vormals beauftragte Firma, die wegen unwirksamen Geschäftsgebarens für Aufträge der Beklagten gesperrt wurde, beauftragte nach der Herausnahme aus dem Bieterkreis eine Detektei. Diese setzte eine Kontaktperson auf den Kläger an. In Korrespondenzen erklärte der Kläger, er könne dabei behilflich sein, für Drittfirmen Aufträge bei seinem Arbeitgeber zu besorgen, soweit dies seinen Job nicht gefährde. Nachdem der Arbeitgeber das Material der Detektei erhielt, kündigte diese außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.
Das LAG sah im Verhalten des Klägers durchaus eine Verletzung verschiedener arbeitsvertraglicher Verpflichtungen und bejahte damit an sich das Vorliegen eines verhaltensbedingten Kündigungsgrunds. Daneben zog das LAG auch eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Der Kläger habe Umstände gesetzt, die seine persönliche Eignung erheblich in Frage stellten. Er habe den Eindruck erweckt, er könne Bietern im Rahmen der Auftragsvergabe in einer über die Herstellung eines bloßen Kontakts hinausgehenden Weise behilflich sein. Bei objektiver Betrachtung beinhalte das Verhalten des Klägers die Aussage, in Zukunft um eigener Vorteile willen die Interessen der Beklagten zu verletzen und für solche Angebote empfänglich zu sein. Dies könne grundsätzlich eine personenbedingte Kündigung unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Ungeeignetheit rechtfertigen. Im Ergebnis scheiterte die Kündigung allerdings an einer fehlenden Abmahnung, die nach Auffassung des LAG unter Abwägung der Gesamtumstände des Falles erforderlich gewesen wäre.
Bereits das BAG hatte angenommen, dass eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen kann, wenn greifbare Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Arbeitnehmer werde zukünftig erhebliche Pflichtverletzungen begehen oder Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers beeinträchtigen (15.10.1992, Az. 2 AZR 188/92). Eine solche Kündigung ist nach der zutreffenden Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz auch bei Compliance-Verstößen möglich. Aufgrund der schwierigen Abgrenzung zur verhaltensbedingten Kündigung sollte aber, soweit es sich nicht eindeutig um nicht behebbare Eignungsmängel handelt, der Ausspruch einer vorherigen Abmahnung erfolgen.
1.4 Rechtsfolgen eines unterlassenen Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX
Mit der in der betrieblichen Praxis fälschlicherweise weithin unbekannten Vorschrift des § 84 Abs. 1 SGB IX hatte sich das BAG in seinem Urteil vom 21.4.2016 (Az. 8 AZR 402/14; Pressemitteilung) erneut zu beschäftigen. § 84 Abs. 1 SGB IX bestimmt, dass der Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebsrat und das Integrationsamt einzuschalten hat, damit das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.
Das Arbeitsverhältnis mit der schwerbehinderten Klägerin war während der ersten sechs Monate ohne ein vorheriges Präventionsverfahren gekündigt worden. Die Kündigung hatte die Klägerin nicht angegriffen, sondern die Zahlung einer Entschädigung wegen behinderungsbedingter Diskriminierung gemäß § 15 Abs. 2 AGG vom beklagten Bundesland verlangt. Das Präventionsverfahren sei eine besondere Schutzmaßnahme zur Vermeidung von Nachteilen für Schwerbehinderte sowie eine „angemessene Vorkehrung“ im Sinne von. Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention und des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG. Werde eine solche Vorkehrung nicht getroffen, sei dies als Diskriminierung zu werten. Das BAG ist dieser Ansicht entgegengetreten; dem Präventionsverfahren komme weder diese Rechtswirkungen zu, noch bestehe während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG) die arbeitgeberseitige Pflicht, ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.
Mit dieser Entscheidung liegt das BAG auf einer Linie mit seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 2006 (7.12.2006, Az. 2 AZR 182/06), in der das BAG das Präventionsverfahren zwar nicht als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers bewertete, wohl aber - wie auch das Verfahren zum betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX - als Konkretisierung des dem Kündigungsschutz immanenten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Da dieser während der Wartezeit (noch) keine Gültigkeit beanspruche, sei unerheblich, ob im Rahmen eines Präventionsverfahrens ein milderes Mittel zur Vermeidung der Kündigung hätte identifiziert werden können.
Im Umkehrschluss bedeuten diese Entscheidungen aber auch, dass nach Ablauf einer Probezeit das Präventionsverfahren Berücksichtigung finden sollte, um kündigungsschutzrechtliche und möglicherweise auch diskriminierungsrechtliche Folgen zu vermeiden.
1.5 Strenges Schriftformerfordernis für Elternzeitverlangen
Das BAG hat in einem Urteil vom 10.5.2016 (Az. 9 AZR 145/15) entschieden, dass ein Elternzeitverlangen nach § 16 Abs. 1 BEEG die strenge Schriftform im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB erfordert. Arbeitnehmer/-innen müssen deshalb das Schreiben eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnen. Ein Telefax oder eine E-Mail sind nicht geeignet, die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform zu wahren. Dies führt zur Nichtigkeit der Erklärung.
Die Klägerin war als Rechtsanwaltsfachangestellte bei dem beklagten Rechtsanwalt beschäftigt. Ihr wurde mit Schreiben vom 15.11.2013 gekündigt. Im Kündigungsrechtsstreit machte die Klägerin geltend, ihr Arbeitsverhältnis könne nach § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG nicht gekündigt werden. Sie habe dem Beklagten nach der Geburt ihres Kindes per Telefax am 10.6.2013 mitgeteilt, dass sie für zwei Jahre Elternzeit in Anspruch nehme.
Die Vorinstanzen gaben der Kündigungsschutzklage statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG hingegen Erfolg. Das Gericht führte in seiner bislang nur als Pressemitteilung veröffentlichten Entscheidung aus, dass wer Elternzeit beanspruchen will, dies nach § 16 Abs. 1 BEEG schriftlich beim Arbeitgeber verlangen müsse. Bei der Inanspruchnahme handele es sich um eine rechtsgestaltende, empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit zum Ruhen gebracht werde. Dabei erfordere das Elternzeitverlangen die strenge Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB. Hierzu müsse es von dem Arbeitnehmer / der Arbeitnehmerin eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Die in Telefax oder einer E-Mail abgegebene Erklärung sei nicht geeignet, die Schriftform zu wahren, so dass die streitgegenständliche Erklärung nach § 125 Abs. 1 BGB nichtig sei.
Die Anforderungen an die Schriftform lassen sich auch auf andere Erklärungen der Arbeitnehmer übertragen. Die Ankündigung und Erklärung von Pflegezeit nach PflegeZG sowie von Familienpflegezeit nach FPfZG, die ebenfalls Schriftform erfordern, werden daher auch nur bei Wahrung der strengen Form des § 126 Abs. 1 BGB wirksam sein.
1.6 Heilung der fehlerhaften Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG durch Stellungnahme des Betriebsrats
Das BAG hat mit Urteil vom 9.6.2016 (Az. 6 AZR 405/15) entschieden, dass die unterbliebene Unterrichtung des Betriebsrats über die Berufsgruppen im Rahmen des Konsultationsverfahrens bei einer Massenentlassung in Fällen, in denen alle Arbeitnehmer wegen der Stilllegung des Betriebs entlassen werden, durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden kann. Dabei muss aus der Stellungnahme hervorgehen, dass der Betriebsrat seinen Beratungsanspruch als erfüllt ansieht.
Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Insolvenzverwalter nach der Insolvenz des Arbeitgebers die Stilllegung des Betriebs und die Entlassung sämtlicher Arbeitnehmer beschlossen. Er führte das Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG durch, teilte aber dem Betriebsrat entgegen § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 KSchG nicht die Berufsgruppen der Arbeitnehmer mit. Der zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat abgeschlossene Interessenausgleich enthielt folgende Regelung:
„§ 10 Konsultationsverfahren nach § 17 Kündigungsschutzgesetz
Der Betriebsrat wurde im Rahmen der Verhandlungen zu diesem Interessenausgleich am 4.12.2013 rechtzeitig und vollständig nach § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet.[...]
Der Betriebsrat bestätigt die Beendigung des Konsultationsverfahrens und erteilt seine Zustimmung […].“ Wenige Tage nach Abschluss des Interessenausgleichs sprach der Insolvenzverwalter gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.
Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage einer Mitarbeiterin wies das BAG – wie die Vorinstanzen – ab. Zur Begründung führte das BAG aus, dass Fehler im Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG zwar grundsätzlich zu einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige und in der Folge zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen führten. Die fehlende Unterrichtung des Betriebsrats über die Berufsgruppen habe bei der Betriebsstilllegung aber ausnahmsweise nicht diese negative Folge für den Arbeitgeber, sofern der Betriebsrat die fehlerhafte Unterrichtung durch seine abschließende Stellungnahme geheilt habe. Das LAG Niedersachsen hatte in der Vorinstanz noch ausgeführt, dass es auf die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats nicht ankomme, da bei der Entlassung aller Arbeitnehmer durch die fehlende Mitteilung der Berufsgruppen die Prüfung des Betriebsrats nicht beeinträchtigt werde.
In der Praxis sollte aufgrund der Rechtsprechung des BAG bei der Betriebsstillegung auf eine entsprechende Gestaltung des Interessenausgleichs geachtet werden. Aus der Stellungnahme des Betriebsrats muss sich ergeben, dass dieser seinen Beratungsanspruch als erfüllt ansieht.
2. Rechtsentwicklung
2.1 Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)
Das Vorhaben der Bundesregierung, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) noch in dieser Legislaturperiode zu novellieren, steht kurz vor dem Abschluss. Wie in unseren beiden letzten Newslettern berichtet, hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in diesem Zusammenhang bislang zwei Referentenentwürfe verfasst, deren maßgeblicher Regelungsinhalt an dieser Stelle bereits dargestellt wurde. Neben den Änderungen im AÜG wird künftig auch der Arbeitnehmerbegriff in § 611a BGBnF legal definiert sein. Nun haben sich CDU/CSU und SPD am 1. Juni 2016 auf einen Gesetzesentwurf geeinigt, der inhaltlich dem zweiten Referentenentwurf entspricht. Es ist damit zu rechnen, dass sich der Bundestag mit dem Entwurf zeitnah befassen und damit die Reform voraussichtlich wie geplant am 1.1.2017 in Kraft treten wird.
2.2 Integrationsgesetz
Darüber hinaus sind auch die Reformbemühungen des Bundeskabinetts auf dem Gebiet der Asylpolitik für Arbeitgeber von Bedeutung. Dies betrifft den von der Bundesregierung auf ihrer Klausurtagung am 25.5.2016 verabschiedeten Entwurf eines Integrationsgesetzes. Damit soll insbesondere die Integration Asylsuchender in den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gefördert werden. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause Mitte Juli vom Bundestag verabschiedet werden. Aus arbeitsrechtlicher Perspektive sind dabei die folgenden Regelungsinhalte von Bedeutung:
2.2.1 Befristete Aussetzung der Vorrangprüfung
Bislang ist bei der Beschäftigung von Asylbewerbern eine sogenannte Vorrangprüfung nach § 39 Aufenthaltsgesetz durchzuführen. Danach ist zu prüfen, ob für die fragliche Beschäftigung nicht ein vorrangig einzustellender Deutscher oder EU-Bürger zu finden ist. Nach dem nun vorliegenden Entwurf des Integrationsgesetzes soll diese Prüfung befristet für drei Jahre ausgesetzt werden. In Regionen mit angespannter Arbeitsmarktlage können die Bundesländer allerdings bestimmen, ob diese neue Regelung Anwendung finden soll.
2.2.2 Gezielte Förderung der Berufsausbildung
Auch soll bestimmten Ausländern der Zugang zu Leistungen der Ausbildungsförderung deutlich erleichtert werden. Dazu werden ausbildungsbegleitende Hilfen, die assistierte Ausbildung und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen für diese Personengruppe früher als bisher zur Verfügung stehen sowie die Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld zum Teil erstmalig in derartigen Fällen gewährt.
2.2.3 Sicherer Aufenthaltsstatus während der Berufsausbildung
Zur Planungssicherheit auch zugunsten der ausbildenden Arbeitgeber soll künftig beitragen, dass die aufenthaltsrechtliche Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung eines Ausländers gewährleistet ist. Darüber hinaus wird nach abgeschlossener Ausbildung bei ausbildungsadäquater Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht für zwei weitere Jahre erteilt (sog. „3+2-Regel“).
3. 8. Arbeitsrechtstag bei Oppenhoff & Partner
Am 10. November 2016 wird der 8. Arbeitsrechtstag in unserem Büro in Köln stattfinden, und wir dürfen Sie bereits jetzt darauf aufmerksam machen.
Eine gesonderte „Save-the-Date“-Nachricht mit den diesjährigen Schwerpunktthemen werden Sie dazu in den nächsten Tagen erhalten.