“Quanto cibo sprechiamo nelle nostre case“ / „wie viele Lebensmittel werden in unseren Haushalten verschwendet”? so lautet der Titel eines Vortrags, der am 7. Juli in den Räumen der Expo Gate stattfinden wird und bei dem der Bericht 2014 über die Lebensmittelverschwendung in den Haushalten vorgestellt wird. Der Bericht wurde von Waste Watchers, dem jüngst im Rahmen einer Initiative der Universität Bologna gegründeten nationalen Beobachtungszentrum ausgearbeitet, das Ursachenforschung zur Lebensmittelverschwendung betreibt und sich die Förderung von Verhaltensweisen zu deren Verringerung zum Ziel gesetzt hat. In dem nun bereits in sechster Auflage erschienenen Bericht werden die Gründe für die Lebensmittelverschwendung aufgezeigt und diese auch mit Bezug auf Einkommensklasse und sozialen Stand der italienischen Familien statistisch analysiert, indem Lebensstil, Gewohnheiten beim Lebensmittelkonsum und Neigungen zur Lebensmittelverschwendung aufgezeigt und einige Anregungen zu deren Vermeidung und Vorbeugung gegeben werden.
Die Vorstellung des genannten Berichts ist nur eine der vielen Projekte bei der Expo 2015 bei denen die Lebensmittelverschwendung im Mittelpunkt steht und bei denen neue Tendenzen im Lebensmittel- und Abfallrecht aufzeigt werden. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Ausarbeitung des Mailänder Protokolls durch eines der führenden Unternehmen der italienischen Lebensmittelindustrie. Angeregt durch das Kyoto-Protokoll, soll das genannte Dokument im Rahmen der Expo 2015 von den an der Weltausstellung teilnehmenden Ländern unterzeichnet werden. Von diesen wird erwartet, dass sie sich dazu verpflichten, die Sicherheit der Lebensmittel für die Weltbevölkerung von neun Milliarden Personen innerhalb von 2050 zu gewährleisten und sich für einen gesunden Lebensstil und nachhaltige Landwirtschaft einsetzen. Der Entwurf des Protokolls wurde bereits fertig ausgearbeitet und ist unter www.milanprotocol.com einsehbar.
Die Thematik ist gewiss nicht neu: die Sensibilisierung der Bevölkerung im Hinblick auf das Recht auf Ernährung und auf die Lebensmittelverschwendung durch Waste Watchers und durch die Inhalte des Mailänder Protokolls begann im Jahr 2013, als Andrea Orlando, der ehemalige italienische Umweltminister, dem Begehren der Europäischen Kommission gefolgt ist, das Problem der Lebensmittelverschwendung im Rahmen des nationalen Plans zur Vorbeugung von Abfallproduktion (“PNPR”) zu berücksichtigen. Durch Art. 180, Abs. 1 bis des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 358 vom 13. Dezember 2013 wurde die Task Force Nr. 5 zur “Analyse und Ausarbeitung von Vorschlägen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung” im Rahmen der “Studiengruppe zur Ausarbeitung von Strategien und Prioritätensetzung auf politischer Ebene”, gegründet. Diese verfolgt das Ziel, einen nationalen Plan zur Vorbeugung der Lebensmittelverschwendung (PINPAS) auszuarbeiten, der Möglichkeiten und Mittel zur Vorbeugung im Rahmen der Maßnahmen im Bereich der Abfallproduktion und, auf höherer Ebene, der europäischen Politik und Strategie zur nachhaltigen Entwicklung aufzeigt. Eine ungenügende Koordination und Verwaltung in der Lebensmittelkette führt nach Aussage von Orlando dazu, dass Lebensmittel “zu Abfall werden, was mit einer enormen Verschwendung von natürlichen Ressourcen verbunden ist, da es zur Erzeugung eines Apfels oder eines Stück Brots des Einsatzes von Mitteln, Dünger, Wasser und Boden bedarf, und dies alles letzten Endes zu Abfall wird”.
Mit dem PINPAS – in dessen Zusammenhang eine Arbeitsgruppe aus derzeit über 240 Mitgliedern aus etwa 140 verschiedenen Organisationen gebildet wurde, und in der sämtliche Glieder der Lebensmittelkette vertreten sind (Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie, Lieferanten, Gastgewerbe, Haushalte und Abfallbeseitigung) – wurde in Italien zum ersten Mal das Problem der Lebensmittelverschwendung in umfassender Weise in Angriff genommen.
Laut dem Bericht des Senats, der die Aktualisierung des nationalen Programms zur Vorbeugung der Abfallproduktion zum Gegenstand hatte, war die Ausarbeitung des PINPAS notwendig, da sich die Lebensmittelkette sehr komplex darstellt und gekennzeichnet ist von einer hohen Anzahl an Akteuren und einer starken gegenseitigen Abhängigkeit der verschiedenen Beteiligten, sowie dem Zusammenhang von verschiedenen Aspekten im Bereich Umwelt und Abfallverwaltung, Biodiversität, Zugang zu Lebensmitteln und Lebensmittelsicherheit.
Der PINPAS zielt darauf ab, konkrete und effiziente Lösungen zur Verringerung der Produktion von großen Mengen an Lebensmitteln, die kurz-, mittel- oder langfristig im Müll landen, zu finden. Das Ziel ist dabei innerhalb von 2020 eine Verringerung von 5% der Haushaltsabfälle pro BIP-Einheit, 10% der gefährlichen Abfälle und 5% der Spezialabfälle zu erreichen. Die Vorbeugung der Lebensmittelverschwendung kann dabei mit Sicherheit zur Verringerung der Abfallproduktion beitragen. Beispielsweise kann dies durch die Reduzierung des Biomülls in den Haushaltsabfällen, mithilfe von Sensibilisierungskampanien von Verbrauchern und in den Schulen, sowie Etikettierung der Lebensmittel, erfolgen. Eine Verringerung der ungefährlichen Lebensmittelabfälle, die mit den Abfällen vergleichbar sind, die in Mensen, Restaurants, Bars, Hotels, Obst- und Gemüsemärkten und Kaufhäusern anfallen, sollte zudem auch durch Vereinbarungen auf freiwilliger Basis zur Vermeidung von Verschwendungen, beispielsweise durch kostenlose Hergabe der nicht verkauften Produkte oder der Überschüsse aus den Küchen erfolgen.
Einen, wenn auch indirekten und – man könnte sagen – skurrilen Beitrag zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung hat auch der italienische Kassationsgerichtshof, Abteilung Strafrecht, mit seinem vor einem Jahr erlassenen Urteil geleistet, nach dem es ein Recht auf den sog. „doggy bag“, (also die Möglichkeit, die eigenen, nicht verzehrten Speisen mitzunehmen) gibt: die Gastwirte müssen – wie es bei den Kollegen aus Großbritannien schon seit einigen Jahren üblich ist – es den Gästen ermöglichen, die eigenen, nicht konsumierten Speisen mitzunehmen. Der Kassationsgerichtshof hat im untersuchten Fall die vorhergehende Verurteilung eines Gastes wegen Beleidigung aufgehoben, da es der Leiter des Hotelskomplexes, in dem der Gast untergekommen war, demselben nicht gestattete, die von ihm nicht verzehrten Speisen mitzunehmen, und der Gast daraufhin harsche Kritik am Hotelkomplex übte. Laut dem Richterkollegium (Kassationsgerichtshof, Sektion V, Urteil Nr. 29942 vom 27. Mai 2014) ist die Verweigerung, übriggebliebene Speisen mitzunehmen, als „unrechtmäßige Handlung“, und folglich die Reaktion des Gastes, als nicht strafbar zu werten.
Mit besonderem Bezug auf die Möglichkeit, überschüssige Lebensmittel von Verkaufsstellen wiederzuverwerten, ist eine Gesetzesvereinfachung innerhalb des laufenden Jahres geplant. Dies hatte Andrea Segrè, der Koordinator des vom Umweltministerium gegründeten technisch-wissenschaftlichen Komitees zur Vorbeugung von Abfällen und der Lebensmittelverschwendung, angekündigt.
Die Arbeitsgruppe des PINPAS hat ein “Position Paper” für eine neue Rechtnorm ausgearbeitet, die die kostenlose Hergabe von Überschüssen und unverkauften Lebensmitteln erleichtert, durch eine Vereinfachung und Harmonisierung des einschlägigen (verwaltungs-, steuer- und gesundheitsrechtlichen) Rechtsrahmens, nach dem – es scheint sogar noch innerhalb 2015 – endlich die kostenlose Hergabe gefördert wird.
Zudem wird in Kürze auch ein „Tagebuch zur Lebensmittelverschwendung im Haushalt“ veröffentlicht, in dem eine repräsentative Auswahl von italienischen Familien die eigenen Gewohnheiten in Sachen Lebensmittelverschwendung überprüft. Das Projekt wurde in gemeinsamer Zusammenarbeit von Last Minute Market, der europäischen Kampagne „ein Jahr gegen die Verschwendung“ und der wissenschaftlich-technologischen Abteilung für Lebensmittel der Universität Bologna umgesetzt. Dadurch wird die tatsächliche Verschwendung erhoben und es wird ermöglicht zu begreifen, welche Lebensmittel in den italienischen Haushalten hauptsächlich verschwendet werden, und aus welchem Grund.
Im Tagebuch werden auch die Speisen und Getränke angeführt, die meist im Abfluss landen (Milch, Fruchtsäfte oder Kaffee, der ins Waschbecken gegossen wird) oder den Haustieren gegeben werden. Der Versuch wurde im April durchgeführt und dauerte eine Woche und er zeigt Möglichkeiten auf, wie die Verschwendung in den Haushalten verringert werden kann. Die Ergebnisse werden am 5. Juni 2015 im Rahmen des Weltumwelttages veröffentlichet.