In seinem Urteil vom 01. Februar 2018 (T-105/16) beschäftigt sich das EuG mit der Frage, unter welchen Umständen neue Beweismittel zum Nachweis der Bekanntheit einer älteren Marke zu berücksichtigen sind, die dem EUIPO erstmals im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegt worden sind.

Die Klägerin hatte einen Antrag auf Nichtigerklärung gegen die links unten abgebildete Unionsmarke gestellt. Sie stützte den Antrag unter anderem auf die ältere Marke unten rechts und berief sich dabei zum einen auf Verwechslungsgefahr (Art. 8 Abs. 1 lit. b) UMV) sowie zum anderen auf den Schutz der bekannten Marken (Art. 8 Abs. 5 UMV).

Das EuG hebt die Entscheidung der Beschwerdekammer auf. Das Gericht bestätigt die Beschwerdekammer zunächst dahingehend, dass sie die Beweismittel grundsätzlich nicht hätte akzeptieren dürfen, da es sich in der Tat nicht um eine bloße Ergänzung des bisherigen Vortrags gehandelt habe.Die Nichtigkeitsabteilung verneinte eine Verwechslungsgefahr aufgrund zu geringer Zeichenähnlichkeit. Eine Ausnutzung der Wertschätzung wurde ebenfalls abgelehnt, weil die Klägerin keine Nachweise für die Bekanntheit der älteren Marke vorgelegt hatte. Auch die Beschwerde blieb erfolglos. Im Beschwerdeverfahren wurden die erstmals in zweiter Instanz vorgelegten Unterlagen zum Nachweis der Bekanntheit der älteren Marke unberücksichtigt gelassen. Die Beschwerdekammer führte aus, sie dürfe nach Regel 50 der früheren Gemeinschaftsmarken-Durchführungsverordnung (entspricht Art. 27 Abs. 4 DVUM) nur „zusätzliche oder ergänzende Sachverhalte und Beweismittel“ berücksichtigen, aber nicht gänzlich neuen Sachvortrag.

Dennoch stelle die Zurückweisung vorliegend einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung dar. Denn die Klägerin hatte bereits in der Beschwerdeinstanz auf die elf Monate zuvor ergangene Entscheidung „SUPER ROLL“ hingewiesen, in der die Beschwerdekammer eine hohe Bekanntheit der „dachförmigen Gestaltung“ der älteren Marke festgestellt hatte. Nach Ansicht des EuG war die „SUPER ROLL“-Entscheidung offensichtlich ein Indiz dafür, dass die ältere Marke bekannt im Sinne von Art. 8 Abs. 5 UMV sein könnte. Angesichts dieser besonderen Umstände hätte die Beschwerdekammer im Einklang mit ihrer Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung die erstmals in der Beschwerdeinstanz vorgelegten Beweise für die Bekanntheit der älteren Marke zulassen müssen.

Praxistipp:

Das Urteil widerspricht dem Regelungsgehalt der Regel 50 der früheren Gemeinschaftsmarken-Durchführungsverordnung, obwohl das Gericht die Vorschrift ausdrücklich für anwendbar erklärt hat. Die große Bedeutung, die das EuG insoweit der „SUPER ROLL“-Entscheidung beimisst, überrascht vor dem Hintergrund, dass ein Verweis auf die sonstige Entscheidungspraxis des EUIPO regelmäßig wenig Beachtung findet – jedenfalls im Rahmen von Eintragungsverfahren.

Im Ergebnis stärkt das Urteil nochmals die Position von Inhabern bekannter Marken gegenüber dem EUIPO. Bereits in einem früheren Urteil hatte das EuG entschieden, dass das Amt nicht ohne nähere Begründung die Bekanntheit einer älteren Marke verneinen dürfe, wenn es sich dadurch in Widerspruch zu einer kürzlich ergangenen Entscheidung setze (Rs. T‑159/15; Rechtmittel beim EuGH anhängig).