Mit Urteil vom 18. Oktober 2018 (2 U 55/18) hat das OLG Stuttgart klargestellt, dass Komponenten eines Textilerzeugnisses nach der Verordnung Nr. 1007/2011/EU (Textilkennzeichnungsverordnung, nachfolgend „TextilKennzVO“) in deutscher Sprache anzugeben sind. Die Verwendung von englischsprachigen Begriffen, die keinen Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben (hier „SHELL“ für die Außenhaut und „INSERT“ für den Einsatz einer Laufmütze), verstoße gegen Art. 16 TextilKennzVO und sei unlauter nach § 5a UWG.
Der Fall
Die Beklagte bot über Verkaufsplattformen eine Laufmütze mit den folgenden Angaben zur Textilfaserzusammensetzung an:
„SHELL: 100% POLYESTER; [email protected]MEMBRANE: 100% POLYESTER; INSERT: 88% NYLON; 12% ELASTANE“
Die Klägerin rügte u.a., die Angabe der Textilkomponenten der Laufmütze mit den englischsprachigen Begriffen „SHELL“ (gemeint: die Außenhaut) und „INSERT“ (gemeint: der Einsatz) verstoße gegen Art. 16 TextilKennzVO und sei deswegen unlauter insbesondere nach § 5a UWG.
Das LG Stuttgart gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung. Dagegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Die Entscheidung
Das OLG Stuttgart bestätigte die Entscheidung des LG Stuttgart.
Das OLG Stuttgart führte aus, Art. 16 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 TextilKennzVO verlange zwar dem Wortlaut nach nur, dass die in den Art. 5, 7, 8 und 9 TextilKennzVO genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzungen schon vor dem elektronischen Kauf deutlich sichtbar auf Deutsch angegeben werden und beziehe sich nicht ausdrücklich auf Art. 11 TextilKennzVO (der die Kennzeichnung und Benennung von Textilkomponenten regelt). Art. 11 TextilKennzVO differenziere Art. 9 TextilKennzVO aber letzlich lediglich aus. Über den Verweis auf Art. 9 TextilKennzVO in Art. 16 TextilKennzVO seien deswegen auch die Vorgaben von Art. 11 TextilKennzVO – namentlich zur Benennung der Textilkomponenten und ihrer Textilfasergehalte – im Rahmen des Art. 16 TextilKennzVO zu berücksichtigen. Deswegen müssten auch die Angaben zur Benennung der Textilkomponenten und ihrer Textilfasergehalte vor dem elektronischen Kauf deutlich sichtbar auf Deutsch angegeben werden.
Die Beklagte habe folglich gegen Art. 16 Abs. 3 TextilKennzVO verstoßen, weil sie die Textilkomponenten der Laufmütze mit den englischsprachigen Begriffen „SHELL“ und „INSERT“ angegeben habe. Insbesondere handele es sich bei „SHELL“ und „INSERT“ auch nicht um eingedeutschte Begriffe. Anders etwa als beim Begriff „cotton“ (dazu hier) sei den Verbrauchern in Deutschland die Bedeutung der Bezeichnungen „SHELL“ und „INSERT“ nicht ohne weiteres geläufig. Der Verstoß gegen Art. 16 Abs. 3 TextilKennzVO sei auch unlauter nach § 5a Abs. 2, 4 UWG, weil die Beklagte den Verbrauchern durch die Verwendung englischsprachiger Begriffe für die Textilkomponenten eine für die Kaufentscheidung des Verbrauchers wesentliche Information vorenthalten oder aber jedenfalls nur unklar bzw. unverständlich bereitgestellt habe.
Fazit
Das Urteil des OLG Stuttgart veranschaulicht die Risiken, wenn zur Erfüllung der Vorgaben der TextilKennzVO auf englischsprachige Begriffe zurückgegriffen wird: Der deutsche Gesetzgeber hat vorgesehen, dass die nach der TextilKennzVO erforderlichen Angaben auf Deutsch erfolgen müssen. Englischsprachige Begriffe kommen zur Erfüllung der Vorgaben der TextilKennzVO deswegen grundsätzlich allenfalls dann in Betracht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sie in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind. Einen entsprechenden Nachweis zu führen, wird aber oft schwierig sein.
Das rechtskräftige Urteil des OLG Stuttgart reiht sich somit ein in eine Reihe von Gerichtsentscheidungen, die im Hinblick auf die Erfüllung der Vorgaben der TextilKennzVO einen strengen Maßstab anlegen (siehe z.B. die „Merinowolle“ Entscheidung des OLG Hamm hier).
Insoweit überrascht es nicht, dass das OLG Stuttgart die Beklagte mit dem Urteil vom 18. Oktober 2018 auch wegen der Angabe unzulässiger Textilfaserzusammensetzungen verurteilt hat: Die Angabe des englischsprachigen Begriffs „ELASTANE“ zur Textilfaserzusammensetzung des „Inserts“ der Laufmütze bewertete das OLG Stuttgart als Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO, weil sich im Anhang I zur TextiKennzVO mit der Liste der zulässigen Textilfaserbezeichnungen nur der (deutsche) Begriff „Elasthan“ finde. Zudem hatte die Klägerin mit ihrer Klage auch gerügt, dass die Beklagte in den Angaben zur Textilfaserzusammensetzung von Fahrradhandschuhen die Bezeichnung „Polyamid mit Polyrethan“ verwendet hatte. Diese Bezeichnung ordnete das OLG Stuttgart schon deswegen als unzulässig ein, weil die Verbraucher durch die Präposition „mit“ irrig auf eine kombinierte Textilfaser schließen könnten, deren Angabe gegen Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO i.V.m. Anhang I verstoße.