Die Rechtswidrigkeit von Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers war schon mehrmals Gegenstand unserer Berichterstattung. Nunmehr ist – soweit man dies einer kürzlich ergangen Pressemitteilung des BAG (Pressemitteilung des BAG Nr. 62/2018 v. 20.11.2018) entnehmen kann – eine weitere Weichenstellung erfolgt, jedoch leider erneut zu Ungunsten des Arbeitgebers:

Der Fall

Die beklagte Gewerkschaft baute vor dem Betriebsgebäude der Arbeitgeberin, auf einem von der Arbeitgeberin gepachteten Parkplatz, Stehtische, Sonnenschirme sowie große Trommeln bzw. Tonnen auf.

An diesen positionierten sich Mitarbeiter der Gewerkschaft sowie streikende Arbeitnehmer, verteilten Flyer und forderten zur Arbeit erscheinende nicht streikende Mitarbeiter auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Arbeitswillige mussten an den in kleinen Gruppen stehenden Streikenden und Beschäftigten der Gewerkschaft hindurchlaufen, um zu dem Betriebsgebäude zu gelangen (“Picketing”).

Die Entscheidung

Der Pressemitteilung des BAG ist zu entnehmen, dass eine wie vorstehend beschriebene Aktion einer Gewerkschaft – abhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten – mangels anderer Mobilisierungsmöglichkeiten auch auf einem vom bestreikten Arbeitgeber vorgehaltenen Firmenparkplatz vor dem Betriebsgebäude zulässig sein könne.

Im konkreten Fall ergebe die Abwägung widerstreitender grundrechtlicher Gewährleistungen auf Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite, dass die Arbeitgeberin eine kurzzeitige, situative Beeinträchtigung ihres Besitzes hinzunehmen habe. Angesichts der örtlichen Verhältnisse könne die Gewerkschaft nur auf dem Firmenparkplatz vor dem Haupteingang mit den zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmern kommunizieren und im Gespräch versuchen, auf Arbeitswillige einzuwirken.

Überzeugt dies?

Weshalb das BAG den Arbeitgeber zur Duldung solcher Streikmaßnahmen zwingt, ist nicht verständlich. Wie bereits in unserem Beitrag aus Mai 2017 geschildert, setzt das aus dem Arbeitsvertrag folgende Recht auf Zutritt der Arbeitnehmer zum Betriebsgelände stets einen Arbeitswillen voraus, an dem es bei den streikenden Mitarbeitern fehlt.

Damit kann auch eine umfangreiche Interessenabwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten richtigerweise nicht zu dem Ergebnis führen, dass das Hausrecht zugunsten der Streikmaßnahmen einzuschränken ist. Zudem sprechen verschiedene weitere Gesichtspunkte gegen das Ergebnis des BAG:

  • Die Nutzung des Parkplatzgeländes stellt in Zeiten von Internet und Social Media keinesfalls die einzige Möglichkeit der Gewerkschaft dar, mit nicht organisierten arbeitswilligen Arbeitnehmern zu kommunizieren.
  • Sie hatte neben dem Betriebsgelände ein Zelt aufgestellt, von dem aus eine Kommunikationsmöglichkeit für kommunikationsbereite Arbeitnehmer bestand.
  • Die Möglichkeit der Gewerkschaft, den Parkplatz des Arbeitgebers nutzen zu können, bringt auch die Arbeitswilligen in eine konfrontative Lage, die diese ggf. zu umgehen versuchen. Inwieweit wird nunmehr durch das BAG die negative Koalitionsfreiheit der Arbeitswilligen berücksichtigt? Den Arbeitgeber trifft insofern auch für diese Arbeitnehmer eine Fürsorgepflicht.
  • Dem Arbeitgeber kann die bauliche Gestaltung seines Betriebsgeländes nicht entgegen gehalten werden. Es ist realitätsfremd, anzunehmen, ein Arbeitgeber würde bei der baulichen Ausrichtung seiner Betriebsstätte die Streikmöglichkeiten einer Gewerkschaft berücksichtigen.

Es bleibt bis zur Veröffentlichung der Entscheidungsgründe abzuwarten, wie das BAG vor diesem Hintergrund sein Ergebnis rechtfertigen will.

Praxisempfehlung

Weiterhin gilt für Arbeitgeber, Verstöße der Gewerkschaft gegen das Hausrecht sorgfältig zu dokumentieren, um Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Die erste Anlaufstelle zur Meldung der Verstöße bleibt nach wie vor die örtliche Streikleitung.

Arbeitsrechtliche Sanktionen gegen die streikenden Mitarbeiter – insbesondere bei Exzessen Einzelner – sollten daneben ebenfalls geprüft werden. Sofern die Gewerkschaft die Ausschreitungen nicht verhindert, bleibt dem Arbeitgeber weiterhin die Möglichkeit eines Antrags auf einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht – nunmehr aber unter erschwerten Rahmenbedingungen.