Seit 2016 wird in der EU über Anpassungen des rechtlichen Rahmenwerkes im Bankenbereich diskutiert, nun neigt sich diese Debatte drei Jahre später mit der Verabschiedung des sogenannten „Bankenpakets“ dem Ende entgegen. Das europäische Maßnahmenpaket enthält umfassende Änderungen in zwei Verordnungen und zwei Richtlinien und zwar insbesondere in der VO (EU) 575/2013 (Capital Requirements Regulation;CRR). Betroffen sind dabei unter anderem die Vorschriften der Artikel 26 ff. CRR in Kapitel 2 über das „harte Kernkapital“. Mit einer Ergänzung von Artikel 28 Absatz 3 CRR versucht der europäische Gesetzgeber einen jahrelang bestehenden Konflikt zwischen der CRR und nationalen Vorschriften aus dem deutschen Gesellschaftsrecht auszuräumen. Allerdings provoziert der gewählte Lösungsweg ein Problem an einer anderen Stelle.

Streitig war nämlich bislang die Frage um die Auswirkungen der Kapitalvorschriften der CRR auf die Vereinbarung von Gewinnabführungsverträgen (GAV) i.S.v. § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 des Aktiengesetzes (AktG). Artikel 28 Abs. 1 CRR normiert die Voraussetzungen für die Einordnung von Kapitalinstrumenten als „hartes Kernkapital“ als Teil der Eigenmittel der Kreditinstitute. Da sämtliche Voraussetzungen aus Artikel 28 Abs. 1 CRR kumulativ vorliegen müssen, bereitete der in Artikel 28 Abs. 1 lit. h) Ziff. (v) CRR normierte Ausschluss von Ausschüttungsvereinbarungen im Zusammenhang mit GAV im deutschen Recht Probleme. Gerade im Hinblick auf die Vorteile einer steuerrechtlichen Organschaft, die nach § 14 des Körperschaftssteuergesetzes (KStG) die Vereinbarung eines GAV erfordert, stehen Institute vor einer „Entweder-Oder-Entscheidung“.

Die Aufsichtsbehörden verhalten sich zu diesem Problem bislang widersprüchlich: Während auf europäischer Ebene die Europäische Bankenaufsicht (EBA) und die Europäische Zentralbank (EZB) bei Vorliegen eines GAV die Einordnung von Kapitalinstrumenten als „hartes Kernkapital“ verneinten, erklärte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die von der EBA in einem Q&A veröffentlichte Entscheidung ausdrücklich für nicht anwendbar. Dies würde nach Ablauf einer von der EZB gesetzten Übergangsfrist zum Ende des Jahres 2020 dazu führen, dass von der BaFin beaufsichtigte Institute, die als Organgesellschaft einer Gewinnabführung im Rahmen eines GAV unterliegen, gezeichnetes Kapital (Grundkapital, Stammkapital) und Rücklagen weiterhin als Eigenmittel berücksichtigen dürfen, während diese bei von der EZB beaufsichtigten Instituten als Eigenmittel entfallen würden.

Dieser Ungleichbehandlung ist der europäische Gesetzgeber nun, nach eingehender Lobbyarbeit deutscher Bankenverbände, zuvorgekommen. Die neue Fassung von Artikel 28 Abs. 3 CRR regelt, dass die Voraussetzung aus Artikel 28 Abs. 1 lit. h) Ziff. (v) CRR und damit – bei gleichzeitigem Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen aus Artikel 28 Abs. 1 CRR – eine Einordnung als „hartes Kernkapital“ auch bei Vorliegen eines GAV gewahrt sein kann, sofern die dort aufgeführten Anforderungen erfüllt sind. Artikel 28 Abs. 3 Satz 2 CRR-neu soll wie folgt lauten:

„Die Bedingung nach Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe h Ziffer v gilt als erfüllt, selbst wenn für ein Tochterunternehmen ein Ergebnisabführungsvertrag mit seinem Mutterunternehmen gilt, nach dem das Tochterunternehmen verpflichtet ist, nach Erstellung seines Jahresabschlusses sein Jahresergebnis an sein Mutterunternehmen zu überweisen, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

(a) Mindestens 90 % der Stimmrechte und des Kapitals des Tochterunternehmens befinden sich im Eigentum des Mutterunternehmens;

(b) das Mutterunternehmen und das Tochterunternehmen sind im selben Mitgliedstaat niedergelassen;

(c) der Vertrag wurde zu rechtmäßigen Steuerzwecken geschlossen;

(d) das Tochterunternehmen hat bei der Erstellung seines Jahresabschlusses einen Ermessensspielraum für die Verringerung des Betrags der Ausschüttungen dadurch, dass es seine Gewinne ganz oder teilweise in seine eigenen Rücklagen einstellt oder dem Fonds für allgemeine Bankrisiken zuweist, bevor es eine Zahlung an sein Mutterunternehmen leistet;

(e) das Mutterunternehmen ist nach dem Vertrag verpflichtet, dem Tochterunternehmen einen vollen Ausgleich für alle Verluste des Tochterunternehmens zu gewähren;

(f) der Vertrag sieht eine Kündigungsfrist vor, der zufolge der Vertrag nur am Ende eines Geschäftsjahres – mit Wirkung der Kündigung frühestens ab dem Beginn des folgenden Geschäftsjahres – beendet werden kann, wodurch sich nichts an der Verpflichtung des Mutterunternehmens ändert, dem Tochterunternehmen einen vollen Ausgleich für alle während des laufenden Geschäftsjahres entstandenen Verluste zu gewähren.

Hat ein Institut einen Ergebnisabführungsvertrag geschlossen, so teilt es dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit und übermittelt der zuständigen Behörde eine Kopie des Vertrags. Das Institut muss zudem der zuständigen Behörde unverzüglich alle Änderungen des Ergebnisabführungsvertrags und die Kündigung dieses Vertrags mitteilen. Ein Institut darf nicht mehr als einen Ergebnisabführungsvertrag schließen.“

Die Voraussetzungen der Ziffern (a) bis (c) aus Artikel 28 Abs. 3 CRR-neu werden regelmäßig erfüllt sein, da GAV in der Regel in Konstellationen geschlossen werden, in denen eine im Inland befindliche Muttergesellschaft eine 100% Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft hält, um körperschaftssteuerliche Vorteile über die Bildung einer steuerrechtlichen Organschaft zu nutzen. Auch die Voraussetzungen der Ziffern (e) und (f) werden üblicherweise durch entsprechende Standardformulierungen in den GAV erfüllt sein, da das deutsche Gesellschaftsrecht in den §§ 296 Abs. 1, 302 Abs. 1 AktG die gleichen Anforderungen an GAV stellt.

Allerdings hat der europäische Gesetzgeber mit der Formulierung der neuen Voraussetzungen in Ziffer (d) ein Problemfeld an einer anderen Stelle eröffnet. Nach Ziffer (d) soll nämlich die Einstellung eines Teils bzw. des gesamten Gewinns als Gewinnrücklage i.S.v. § 272 Abs. 3 HGB oder als Sonderposten für allgemeine Bankrisiken i.S.v. § 340g HGB einer Ermessensentscheidung des Tochterunternehmens (Organgesellschaft) unterliegen. Dies birgt das Risiko, dass die Finanzverwaltung die körperschaftssteuerliche Organschaft bei Aufnahme einer entsprechenden Formulierung im GAV nicht mehr anerkennt. Denn § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG verlangt für die Anerkennung einer körperschaftssteuerlichen Organschaft, dass der „ganze Gewinn“ an die übergeordnete Gesellschaft (Organträger) abgeführt wird. Eine Ausnahme ist dabei ausschließlich für gesetzliche Rücklagen vorgesehen; für diese besteht ein Abführungsverbot.

Um diese Problematik in den Griff zu bekommen und die steuerrechtliche Organschaft zu erhalten, empfehlen wir folgende Vorgehensweise: (1.) eine Formulierung im GAV, die sich eng am Wortlaut von Ziffer (iv) orientiert sowie (2.) eine enge Abstimmung des GAV mit der Finanzverwaltung. Da es sich steuerrechtlich nicht um eine dem bisher üblichen Standard entsprechende Regelung handelt, ist im Vorfeld zur Absicherung der Anerkennung des GAV insbesondere zu empfehlen, bei der Finanzverwaltung eine verbindliche Auskunft zu beantragen oder eine anderweitige Abstimmung hinsichtlich der Anerkennung des GAV mit den Finanzbehörden zu treffen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Probleme schürende Konflikt zwischen Aufsichts-, Steuer- und Gesellschaftsrecht an der Schnittstelle des Artikel 28 CRR im Zusammenhang mit GAV durch die überarbeitete Fassung der CRR nicht vollends beseitigt, sondern lediglich auf die Frage enggeführt wurde, welcher Ermessensspielraum der Geschäftsführung der Organgesellschaft im Hinblick auf die Einstellung von Gewinn und Gewinnrücklagen bzw. den Sonderposten für allgemeine Bankrisiken eingeräumt wird. Bis zu einer allgemeinen Stellungnahme der deutschen Finanzverwaltung ist hier eine Abstimmung mit den zuständigen Behörden im Einzelfall notwendig.