Mrz 2020
44Employment News Nr.
Das Coronavirus hat gravierende Folgen fr die Schweizer Wirtschaft. Die Tourismus- und Eventbranche leiden und es ist damit zu rechnen, dass auch Produktions-
betriebe bald betroffen sein werden. Kurzarbeit kann Abhilfe schaffen und die wirtschaftlichen Konsequenzen des Coronavirus fr Arbeitgeber und Arbeitnehmende mindern.
Employment News Nr. 44 Mrz 2020
Von Irne Suter-Sieber Dr. iur., Rechtsanwltin Partnerin Telefon +41 58 658 56 60 [email protected]
und Christoph Stutz MLaw, Rechtsanwalt Konsulent Telefon +41 58 658 53 03 [email protected]
In den vergangenen Tagen haben verschiedene Schweizer Betriebe, die unter den Folgen der Corona-Epidemie leiden, Gesuche um Kurzarbeitsentschdigung eingereicht. Die Gesuche sind von den kantonalen Behrden zum Teil bereits bewilligt worden. Der vorliegende Artikel beleuchtet die Frage, unter welchen Umstnden betroffene Betriebe Kurzarbeitsentschdigungen beantragen und welche Stolpersteine diesen entgegenstehen knnen.
Anspruch auf Kurzarbeitsentschdigung aufgrund von Coronavirus-bedingten Arbeitsausfllen
Kurzarbeit ist die vorbergehende Reduktion oder Einstellung der Arbeit in einem Betrieb. Der Arbeitsvertrag bleibt aber bestehen. Zweck der Kurzarbeit ist es also, vorbergehende Beschftigungseinbrche auszugleichen und letztendlich Arbeitspltze zu erhalten. Mit der Kurzarbeitsentschdigung (KAE) bietet der Staat dem Arbeitgeber eine Alternative zu drohenden Entlassungen, indem er einen Teil des Arbeitsausfalls entschdigt. Fr die Arbeitnehmenden bietet die KAE den Vorteil, dass Arbeitslosigkeit vermieden wird, ihnen der umfassende Schutz des Arbeitsrechts erhalten bleibt und in der beruflichen Vorsorge keine Beitragslcken entstehen.
Die kantonalen Behrden drfen KAE nur unter strengen Voraussetzungen zusprechen. Vorausgesetzt ist insbesondere, dass ein Arbeitsausfall auf einen der folgenden beiden Grnde zurckzufhren ist:
i. wirtschaftliche Grnde, die unvermeidbar sind, oder
ii. behrdliche Massnahmen, die der Arbeitgeber nicht vermeiden und fr deren Schaden er keinen Dritten (insb. keine Versicherung) haftbar machen kann.
Fraglich ist, ob die derzeit grassierende, durch das Coronavirus ausgelste Epidemie als anspruchsbegrndender Tatbestand betrachtet werden kann. Das SECO hat am 2. Mrz 2020 mitgeteilt, dass es
das Auftreten des Coronavirus und dessen Auswirkungen nicht als normales Betriebsrisiko betrachtet. Einige Beispiele dazu hat das SECO in einem FAQ Pandemie und Betriebe vom 28. Februar 2020 konkretisiert. Folglich ist davon auszugehen, dass Arbeitsausflle, die aufgrund von behrdlichen Massnahmen entstanden sind, einen Anspruch auf KAE begrnden so beispielsweise das bis mindestens am 15. Mrz 2020 geltende Verbot des Bundesrates von Grossveranstaltungen mit mehr als 1'000 Personen (die Kantone haben zum Teil tiefere Zahlen festgelegt), behrdliche Transportbeschrnkungen, welche den Zugang zum Arbeitsort erschweren, die Abriegelung von Stdten (Quarantne) oder ein vom Arbeitgeber nicht zu vertretendes Betriebsverbot. Ebenso knnen Arbeitsausflle, die auf wirtschaftliche (d.h. sowohl konjunkturelle als auch strukturelle) Ursachen zurckgehen, einen Anspruch auf KAE begrnden. Dies kann beispielsweise fr Arbeitsausflle zufolge Nachfragrckgangs wegen Infizierungsngsten (z.B. ausbleibende Laufkundschaft) oder zufolge Produktions-/ Absatzrckgangs wegen Lieferschwierigkeiten gelten. Solche Umstnde sind i.d.R. nicht vom Arbeitgeber zu vertreten und knnen deshalb Anlass fr eine KAE bilden.
Nicht abschliessend geklrt ist die Abgrenzung zwischen Arbeitsausfllen, die dem normalen Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzuordnen und deshalb von diesem zu tragen sind (Arbeitgeberverzug nach Art. 324 OR), einerseits und den unvermeidbaren wirtschaftlichen
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Grnden, die einen Anspruch auf KAE begrnden, andererseits. Nach hier vertretener Auffassung muss der Arbeitgeber jedenfalls dann zu einer KAE berechtigt sein, wenn er sich gezwungen sieht, den Betrieb ganz oder teilweise zu schliessen, weil er zufolge krankheitsbedingter Absenzen eines Teils der Belegschaft die Sicherheit oder ordnungsgemsse Produktion im Betrieb nicht mehr gewhrleisten kann. Der Arbeitgeber ist demgegenber im Verzug und kann das Lohnrisiko nicht auf den Staat abwlzen, wenn er seinen Betrieb nur vorsichtshalber schliesst um weitere Ansteckungen zu verhindern.
Keine KAE bei unverschuldeter Arbeitsunfhigkeit infolge Krankheit oder selbstauferlegter Quarantne
Kein Anspruch auf KAE besteht, wenn der Arbeitgeber nach Art. 324a OR (Krankheit des Arbeitnehmenden etc.) lohnfortzahlungspflichtig ist. Dies gilt insbesondere fr jene Flle, in denen Arbeitnehmende aus persnlichen Grnden, aber ohne ihr Verschulden, arbeitsunfhig sind, so wenn Arbeitnehmende selbst an COVID-19 erkranken oder (fr eine beschrnkte Zeit) kranke Familienmitglieder betreuen mssen.
Wenn Arbeitnehmende aus Angst vor Erkrankung zu Hause bleiben, ohne unverschuldet arbeitsunfhig zu sein und ohne dabei Home-Office-Arbeit zu leisten, gilt fr den Arbeitnehmenden der Grundsatz: ohne Arbeit kein Lohn und es besteht auch kein Anspruch auf KAE.
Weitere Anspruchsvoraussetzungen der KAE
Die Arbeitsmter drfen KAE ausserdem nur dann gewhren, wenn ein Arbeitsausfall vorbergehend ist und erwartet werden darf, dass Arbeitspltze dank Kurzarbeit erhalten bleiben. Daraus folgt, dass Arbeitnehmende im gekndigten Arbeitsverhltnis und solche mit befristeten Arbeitsvertrgen keinen Anspruch auf KAE haben. Ebenfalls keinen Anspruch haben Arbeitnehmende, die
zum obersten betrieblichen Entscheidungsgremium gehren. Eine wichtige Ausnahme gilt schliesslich fr TemporrArbeitnehmende: Weder der Verleihnoch der Einsatzbetreib kann fr diese Arbeitnehmenden eine KAE erwirken.
Die Arbeitnehmenden mssen ausserdem mit der Kurzarbeit einverstanden sein. Die Zustimmung muss schriftlich auf einem vorgesehenen Formular abgegeben und bei der Voranmeldung der zustndigen Behrde eingereicht werden. Sind die Arbeitnehmenden nicht einverstanden, haben sie grundstzlich weiterhin Anspruch auf Entlhnung gemss Arbeitsvertrag. Die KAE betrgt demgegenber nur 80% des anrechenbaren Verdienstausfalls, wobei der versicherte Verdienst in der Hhe begrenzt ist (derzeit CHF 12'350 pro Monat).
Weiter setzt eine KAE voraus, dass der Arbeitsausfall mindestens 10% der Arbeitsstunden ausmacht, die normalerweise geleistet werden. Als Vergleichsbasis dient die vertraglich vereinbarte, maximal aber die orts- und branchenbliche Arbeitszeit. Der Arbeitgeber muss also fr die Dauer des Anspruchs auf KAE den konkreten Arbeitsausfall der betroffenen Arbeitnehmenden nachweisen und belegen ein blosser Einsatzplan reicht nicht. Das bedeutet, dass Betriebe, welche die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmenden gar nicht erfassen oder deren Arbeitnehmende rechtsgltig auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet haben, Schwierigkeiten haben werden, einen Anspruch auf KAE gegenber der Arbeitslosenkasse durchzusetzen. Im Falle unterlassener Arbeitszeiterfassung ist dem betroffenen Arbeitgeber zu empfehlen, seine Arbeitnehmenden zur Arbeitszeiterfassung einseitig anzuweisen. Der Verzicht auf Arbeitszeiterfassung kann vom Arbeitgeber demgegenber nur jhrlich widerrufen werden. Deshalb muss der Arbeitgeber in solchen Fllen die Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmenden einholen, zumindest fr die Zeit der KAE ihre Arbeitszeiten zu erfassen.
Prozessuales und Pflichten des Arbeitgebers
Will ein Betrieb KAE beantragen, hat er die geplante Kurzarbeit mindestens zehn Tage vor deren Beginn der kantonalen Behrde schriftlich mittels Formulars zu melden. Die Anmeldefrist betrgt nur drei Tage, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass die Kurzarbeit wegen pltzlich eingetretener, nicht voraussehbarer Umstnde eingefhrt werden muss. Whrend der Meldefrist besteht kein Anspruch auf KAE. Die Voranmeldeformulare knnen bei der zustndigen kantonalen Behrde bezogen werden.
Der Arbeitgeber hat sodann die folgenden Pflichten:
den betroffenen Arbeitnehmenden die KAE in Hhe von 80% des anrechenbaren Verdienstausfalles auszurichten (Vorschusspflicht);
die vollen Lohnkosten fr zwei respektive drei Karenztage (Selbstbehalt des Arbeitgebers) pro Halbjahr zu bernehmen;
whrend der Kurzarbeit die vollen (d.h. auf Basis des 100%-Lohnes) gesetzlichen und vertraglich vereinbarten Sozialversicherungsbeitrge (AHV, IV, PK etc.) abzufhren. Der Arbeitgeber darf allerdings die vollen Arbeitnehmerbeitrge vom Lohn der Arbeitnehmenden abziehen. Ausserdem erstattet die Arbeitslosenkasse dem Arbeitgeber die Arbeitgeberbeitrge zurck.
Die Abrechnung ber die Arbeitslosenkasse erfolgt jeweils rckwirkend und der Arbeitgeber hat seinen Anspruch innert Frist von drei Monaten nach Ablauf jeweils eines Monates (oder von vier Wochen) Kurzarbeit geltend zu machen. Verpasst der Arbeitgeber diese Fristen, verwirkt sein Anspruch.
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Ausblick und Empfehlung
Es ist noch nicht absehbar, wie sich die Corona-Epidemie weiterentwickeln und wie hoch der wirtschaftliche Schaden ausfallen wird. Mit der KAE hat der Schweizer Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, das Schweizer Betriebe untersttzen kann. Arbeitgeber sollten frhzeitig den Bedarf und die Voraussetzungen fr KAE prfen, damit gegebenenfalls eine Voranmeldung an die zustndige Behrde rasch erfolgen kann.
Employment News berichtet ber neuere Entwicklungen und wichtige Themen im Bereich des schweizerischen Arbeitsrechts. Die darin enthaltenen Informationen und Kommentare stellen keine rechtliche Beratung dar, und die erfolgten Ausfhrungen sollten nicht ohne spezifische rechtliche Beratung zum Anlass fr Handlungen genommen werden.
Walder Wyss AG, Zrich, 2020
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Ansprechpartner
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Philippe Nordmann Partner, Basel
Telefon +41 58 658 14 50 [email protected]
Daniel Staffelbach Partner, Zrich
Telefon +41 58 658 56 50 [email protected]
Davide Jermini Partner, Lugano
Telefon +41 58 658 44 02 [email protected]
Olivier Sigg Partner, Genf
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Irne Suter-Sieber Partnerin, Zrich
Telefon +41 58 658 56 60 [email protected]
Christoph Stutz Konsulent, Zrich
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Fabian Looser Managing Associate, Basel
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Simone Wetzstein Managing Associate, Zrich
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Alex Domeniconi Associate, Lugano
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Nadine Mder Associate, Zrich
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Laura Luongo Associate, Genf
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Jonas Knechtli Associate, Basel
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Gaurav Bhagwanani Associate, Zrich
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Yannik A. Moser Associate, Basel
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Nathalie Mri Associate, Zrich
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