Lieferanten-Rückgriff im B2B-Bereich

Die Nacherfüllung ist ein erprobtes Recht bei einem Mangel der Kaufsache. Seit Monaten schon befassen sich zahlreiche Stimmen mit der geplanten Reform des Bauvertragsrechts, die auch die Nacherfüllung betreffen wird. Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung beschlossen. Neben umfangreichen Neuerungen im Bauvertragsrecht enthält der Entwurf auch eine kaufrechtliche Neuregelung, die Nacherfüllung und Lieferanten-Regress erheblich erweitert. Zu dem Umfang der Neuerungen im Einzelnen:

Aktuelle Rechtslage

Seit dem 01.01.2002 ist die Nacherfüllung in § 439 BGB auszugsweise wie folgt geregelt:

  1. Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
  2. Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

Nacherfüllung bedeutet nach dem Wortlaut damit, dass der Verkäufer lediglich eine neue Sache liefern oder die Sache reparieren muss.

Bereits im Jahr 2011 hat der EuGH allerdings entschieden, dass der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen einer Nacherfüllung gegenüber einem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen (Urteil vom 16.06.2011 – C 65/09 und C 87/09). Damit hat der EuGH den Nacherfüllungsanspruch von Verbrauchern gegenüber der Rechtspraxis in Deutschland erheblich erweitert. Nach der bis dahin geltenden herrschenden Meinung (siehe nur BGH, Urteil vom 15.07.2008 – VIII ZR 211/07) sollte es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch lediglich um eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs handeln mit der Folge, dass der Käufer im Falle der Nacherfüllung nicht mehr verlangen kann, als bei seinem ursprünglichen Erfüllungsanspruch, nämlich die bloße Übergabe der Kaufsache und die Verschaffung des Eigentums. Zum Ersatz weiterer Kosten, etwa für den Ein- und Ausbau der Kaufsache, wäre der Verkäufer danach nur unter den weitergehenden Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs (§§ 437 Nr. 3, 440, 280 ff. BGB) verpflichtet.

Diese Erweiterung gilt aber nur im Verhältnis zu Verbrauchern. Gegenüber Unternehmern bleibt es weiterhin dabei, dass nur Übergabe und Eigentumsverschaffung im Rahmen der Nacherfüllung geschuldet sind (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2012 – VIII ZR 226/11; Urteil vom 16.04.2013 – VIII ZR 375/11; Urteil vom 02.04.2014 – VIII ZR 46/13).

Dies bedeutet z. B. für einen Händler, der Baumaterial von seinem Lieferanten erwirbt und dieses in Unkenntnis des Mangels an einen Verbraucher verkauft hat, im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher das Baumaterial aus- und Ersatz einbauen muss, aber von seinem Lieferanten nur das Baumaterial neu erhält. Ein Rückgriff ist damit bislang nicht immer in vollem Umfang möglich.

Die geplante Reform der Nacherfüllung

Es ist geplant, das Recht der Nacherfüllung an die Rechtsprechung des EuGH anzupassen. Hierbei sollen diese Regelungen gleichermaßen im Verhältnis zu Verbrauchern (B2C) als auch im Verhältnis zu Unternehmern (B2B) gelten. Dies verbessert die Situation von Unternehmen in der Lieferkette. Der Entwurf sieht sieht dazu vor, dass in § 439 BGB folgender neuer Absatz 3 eingefügt wird:

Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, nach seiner Wahl entweder selbst den erforderlichen Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache vorzunehmen oder dem Käufer die hierfür erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung verändert, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, nach seiner Wahl entweder selbst den veränderten Zustand wiederherzustellen oder dem Käufer die hierfür erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. […]

Ergänzend soll es einen neuen § 445a BGB geben, in dessen Abs. 1 Folgendes geregelt sein soll:

Der Verkäufer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von dem Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hat (Lieferant), Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer nach § 439 Abs. 2 und 3 […] zu tragen hatte, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war.

Zukünftig soll also in § 439 BGB festgehalten werden, dass der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung auch den Ausbau der mangelhaften Sache und den Einbau der reparierten oder nachgelieferten Sache umfasst, wenn der Käufer die Sache ihrer Art und ihrem Verwendungszweck gemäß in eine andere Sache eingebaut hat.

Diese Regelung entlastet vor allem Werkunternehmer, da sie nicht mehr auf den Aus- und Einbaukosten sitzen bleiben, sondern sich an ihren Lieferanten halten können. Hier soll also erstmals ein vollständiger Rückgriff möglich werden.

Daneben sieht der Entwurf auch die Ausdehnung der EuGH-Rechtsprechung auf vergleichbare Fallgestaltungen vor, bei denen die Kaufsache nicht in ein andere Sache eingabaut, sondern bestimmungsgemäß verändert wird. Dies umfasst z. B. die Veredlung der Kaufsache durch Lackierung oder Lasur oder die Montage einer als Bausatz gelieferten Sache.

Schließlich sieht der Entwurf in § 445a BGB einen umfassenden Rückgriff des Verkäufers vor, der inhaltlich im Wesentlichen dem beim Verbrauchsgüterkauf bekannten Rückgriff entspricht, aber auch gegenüber Unternehmern Anwendung findet.

Fazit und Ausblick

Insgesamt die Rechtspostionen von Unternehmern in einer Lieferkette durch die geplanten Neuerungen erheblich verbessert. Dies ist sehr zu begrüßen. Wenn das Gesetz wie geplant in Kraft treten sollte, müssen Unternehmer nicht mehr fürchten auf solchen Kosten sitzen zu bleiben, die durch mangelhafte Lieferungen ihrer Lieferanten verursacht wurden.

Am 11.03.2016 hat die Bundesregierung den Gesetzesentwurf dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet (BR-Drucks. 123/16). Der Bundesrat hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22.04.2016. Der weitere Gang des Gesetzgebungsverfahrens bleibt abzuwarten. Wir werden berichten.