Nachdem bereits der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 22.08.2013 entschieden hatte, dass Bauträger grundsätzlich nicht Steuerschuldner für an sie erbrachte Bauleistungen sind, ist dieser Auffassung nunmehr auch die Finanzverwaltung in zwei BMF-Schreiben vom 05.02.2014 und vom 08.05.2014 gefolgt. Bauträger, die steuerfreie Ausgangsleistungen erbringen, können nunmehr Umsatzsteuerrückerstattungen zuzüglich Zinsen geltend machen. Die Auswirkungen der geänderten Auffassung der Finanzverwaltung bei dem Bauleistenden sind noch nicht abschließend geklärt.

1.   Bisherige umsatzsteuerliche Behandlung von Bauleistungen

Erbrachte bislang ein Unternehmer Bauleistungen an ein anderes Unternehmen, welches ebenfalls Bauleistungen ausführte, so ging die Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b UStG auf den Leistungsempfänger über (Reverse Charge). Dies galt grundsätzlich auch für Bauträger, d. h. Unternehmen, die auf eigenen Grundstücken Bauwerke errichten und diese dann veräußern.

Voraussetzung für eine Übernahme der Steuerschuldnerschaft war, dass der Anteil von Bauleistungen am Weltumsatz des

Leistungsempfängers mehr als 10% betrug. Es war nicht erforderlich, dass die an den Leistungsempfänger erbrachten Umsätze unmittelbar mit den von ihm ausgeführten Bauleistungen zusammenhingen. Hatten sich beide Vertragsparteien zudem über die Anwendung von § 13b UStG geeinigt, so wurde dies nicht beanstandet, selbst wenn die Voraussetzungen für einen Übergang der Steuerschuldnerschaft nicht vorlagen.

Für Leistungsempfänger, die steuerfreie Ausgangsumsätze erbrachten, wie z. B. Bauträger, die bebaute Grundstücke steuerfrei veräußerten, bestand die Verpflichtung, die sich aus empfangenen Leistungen ergebende Umsatzsteuer abzuführen, ohne die Möglichkeit einer Vorsteuererstattung zu haben.

2.   Was ändert sich für die Baubranche?

Die Finanzverwaltung ist den Vorgaben des BFH gefolgt und hat ihre Auffassung hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen insbesondere in folgenden Punkten geändert:

  • Unmittelbarer Zusammenhang zwischen Bauleistungen erforderlich

Die an einen Leistungsempfänger, wie z. B. einen Bauträger, erbrachte Werklieferung oder sonstige Bauleistung muss unmittelbar zur Erbringung einer derartigen Leistung durch den Leistungsempfänger verwendet werden. Dies ist bei Bauträgern regelmäßig nicht der Fall, da diese üblicherweise nur bebaute Grundstücke an Erwerber liefern.

  • Keine Nachhaltigkeitsprüfung mehr

Es ist unbeachtlich, ob der Leistungsempfänger Bauleistungen erbringt, die insgesamt mehr als 10% seines Weltumsatzes ausmachen. Maßgeblich ist nur noch, ob die eingekaufte Bauleistung unmittelbar für vom Leistungsempfänger erbrachte Bauleistungen verwendet wird.

Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn ein Bauunternehmer bei einem anderen Unternehmen den Einbau einer Heizungsanlage in sein Bürogebäude beauftragt. Das Bürogebäude dient nur mittelbar zur Erbringung von Bauleistungen. Die Steuerschuldnerschaft für den Einbau der Heizungsanlage geht nicht auf den Leistungsempfänger über.

  • Keine Einigung über Steuerschuldnerschaft möglich

Die Vertragsparteien können sich zukünftig nicht mehr darauf berufen, dass sie sich über die Anwendung von § 13b UStG geeinigt haben. Die entsprechende Vereinfachungsregelung wurde durch die Finanzverwaltung zumindest für Bauleistungen aufgehoben.

3.   Rückerstattungsansprüche für Bauträger

Bauträger, die in der Vergangenheit steuerfreie Grundstückslieferungen erbrachten und für in Anspruch genommene Bauleistungen Umsatzsteuer abführten, sind nunmehr grundsätzlich berechtigt, die damals entrichtete Umsatzsteuer zurückzufordern.

Die Finanzämter sind angewiesen, entsprechende Erstattungsansprüche zu gewähren. Insbesondere bei Bauträgern wird das zuständige Finanzamt jedoch genau prüfen, ob die Bauträger tatsächlich keine Werklieferungen erbrachten, sondern bebaute Grundstücke umsatzsteuerfrei lieferten. Zudem darf sich der Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Bauträger durch keinen anderen Tatbestand ergeben und der Steuerbescheid muss noch änderbar sein.

4.   Genießt der Bauleistende Vertrauensschutz?

Während ein Leistungsempfänger (Bauträger) unter den vorgenannten Voraussetzungen die abgeführte Umsatzsteuer zurückfordern kann, hat sich das BMF derzeit noch nicht geäußert, ob der jeweilige Bauleistende nachträglich in Anspruch genommen werden soll. Es wird jedenfalls nicht beanstandet, wenn sich die Vertragsparteien über die Steuerschuldnerschaft für Bauleistungen, die vor dem 15.02.2014 ausgeführt wurden, einvernehmlich gemäß den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Verwaltungsanweisungen geeinigt hatten und an dieser Entscheidung weiterhin festhalten. Zur Frage, inwieweit der Bauleistende Vertrauensschutz genießt, wenn der Leistungsempfänger an der Entscheidung nicht weiter festhalten will oder der Bauleistende nach allgemeinen Grundsätzen Steuerschuldner wäre, wird in Kürze ein BMF-Schreiben ergehen.

5.   Weitere Praxisempfehlungen

Bestehen Zweifel, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachten Bauleistungen für eigene Bauleistungen verwendet, sollte der Bauleistende stets mit Umsatzsteuer abrechnen. Es empfiehlt sich, dass sich der Bauleistende darüber informiert, ob und inwieweit der Leistungsempfänger Bauleistungen erbringt. Gibt der Leistungsempfänger eine entsprechende schriftliche Bestätigung ab, so sieht die Finanzverwaltung diese als verbindlich an und der Leistungsempfänger ist Steuerschuldner der empfangenen Bauleistung. Wird der Bauleistende rückwirkend durch einen Änderungsbescheid in Anspruch genommen, so sollte der Bauleistende in jedem Fall Einspruch einlegen. Ungeachtet der noch ausstehenden Positionierung der Finanzverwaltung zur Frage eines etwaigen Vertrauensschutzes kann sich der Bauleistende nach derzeitiger Rechtslage höchstwahrscheinlich erfolgreich auf einen Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 2 AO berufen. Nach dieser Vorschrift darf die Feststellung des BFH, dass die bisherige Verwaltungsauffassung nicht mit dem Recht in Einklang stand, bei einer Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides grundsätzlich nicht zu Lasten des Bauleistenden berücksichtigt werden.