Ca. 2,5 Jahre sind die "Fachlichen Weisungen AÜG" (FW AÜG) der BA schon alt – nun hat die Behörde diese überarbeitet und an einigen Stellen angepasst.

Bei den FW AÜG handelt es sich um interne Verwaltungsanweisungen, die auf Grundlage von § 17 Abs. 1 AÜG das „Arbeitsprogramm″ der BA definieren. Diese schreiben für die Behörde verbindlich fest, wie die Vorschriften des AÜG auszulegen und anzuwenden sind. Die FW AÜG bieten daher eine Orientierungshilfe, wie die BA das AÜG verstanden wissen möchte; diese verhindern damit, dass – zumindest wenn die FW AÜG wortgetreu umgesetzt werden – die BA im Rahmen oder im Nachgang von Prüfungen Beanstandungen gegenüber dem Personaldienstleister ausspricht oder darüber hinaus gehende erlaubnisrechtliche Maßnahmen ergreift.

Neufassung der FW AÜG wirft weitere Fragen auf

Zuletzt wurden die FW AÜG anlässlich der AÜG-Reform Ende März 2017 mit Wirkung zum 1. April 2019 angepasst. Gesamtbetrachtend bleibt durch die Neufassung der FW AÜG zum 1. August 2019 der „große Wurf″ aus; für die Praxis wesentliche Fragen werden (weiterhin) nicht hinreichend geklärt. Dies gilt insbesondere in Zusammenhang mit der Frage, ob die Konkretisierung der Zeitarbeitnehmerin und des Zeitarbeitnehmers* unter Beachtung der Schriftform erfolgen muss. Die FW AÜG n.F. werfen – im Gegenteil – neue Diskussionspunkte auf; sie hinterlassen bei dem geneigten Leser (noch) mehr Fragezeichen und liefern bedauerlicherweise nicht die erhofften Antworten.

Wesentliche Änderungen in der FW AÜG für Mischbetriebe zur Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz

Auch für sog. Mischbetriebe/-unternehmen, die sowohl Arbeitnehmerüberlassung betreiben als auch Werk-/Dienstverträge anbieten, ergeben sich nicht unerhebliche Änderungen, um während eines Einsatzes gem. § 1 AÜG den Gleichstellungsgrundsatz abbedingen zu können.

Die BA hat die FW (Ziff. 8.5 Abs. 5 Nr. 5, S. 86 f.: Inbezugnahme von Flächentarifverträgen der Zeitarbeit sowohl für Einsatzzeiten wie für Nichteinsatzzeiten) nämlich wie folgt ergänzt:

5. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.10.2016 – B 11 AL 6/15 R) setzt § 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 a.F. (§ 8 Abs. 2 Satz 3 n.F.) für die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit zur Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz kein Überwiegen der Arbeitnehmerüberlassung in einem Betrieb voraus. Demnach eröffnet das AÜG auch Betrieben mit unterschiedlichen Betriebszwecken (Mischbetriebe), die nicht überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betreiben, die Möglichkeit, auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit zur Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz Bezug zu nehmen. Unternehmen und Betriebe mit unterschiedlichen Unternehmens- bzw. Betriebszwecken (Mischunternehmen bzw. -betriebe), die auch Arbeitnehmerüberlassung betreiben, können vom Gleichstellungsgrundsatz durch Anwendung eines Tarifvertrages der Arbeitnehmerüberlassung abweichen, wenn sie unter dessen Geltungsbereich fallen. Welche Betriebe, Unternehmen oder Arbeitnehmergruppen von einem Tarifvertrag umfasst werden, ist durch Auslegung des tarifvertraglichen Geltungsbereichs festzustellen. Das Bundessozialgericht hat für den von der DGB-Tarifgemeinschaft mit dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA) vereinbarten Manteltarifvertrag vom 22.7.2003, geändert durch Änderungstarifverträge vom 22.12.2004, 30.5.2006 und 9.3.2010, für Recht erkannt, dass ihm nicht das Industrieverbandsprinzip zugrunde liegt, sondern dass der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG gilt (Urteil vom 12.10.2016, B 11 AL 6/15 R). Sein Geltungsbereich umfasst daher auch Arbeitnehmerüberlassung in Mischunternehmen oder Mischbetrieben, in denen nicht arbeitszeitlich überwiegend Arbeitnehmerüberlassung stattfindet. Diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist auf die aktuell für die Arbeitnehmerüberlassung bestehenden Flächentarifverträge, die zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) sowie zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) abgeschlossen worden sind, angesichts der inhaltlichen Ausgestaltung der Geltungsbereiche dieser Tarifverträge zu übertragen. Damit können auch Mischunternehmen bzw. Mischbetriebe, die nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband der Arbeitnehmerüberlassung sind und nicht überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betreiben, durch Inbezugnahme der von der DGB-Tarifgemeinschaft mit dem BAP oder dem iGZ abgeschlossenen Flächentarifverträge vom Gleichstellungsgrundsatz (§ 8 Abs. 1 Satz 1) abweichen. Die Tarifpartner der Zeitarbeit haben in den genannten Flächentarifverträgen Leistungen für Einsatzzeiten und Zeiten des Nichtverleihs in einem Gesamtkonzept geregelt. Die tariflichen Regelungen müssen folglich sowohl für Einsatzzeiten wie für Nichteinsatzzeiten in Bezug genommen werden. Eine auf die Dauer der Überlassung beschränkte Inbezugnahme befreit den Verleiher nicht von der Anwendung des Gleichstellungsgrundsatzes. Das entsprechende Tarifwerk ist im Falle der Inbezugnahme grundsätzlich vollständig und umfassend auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden (FW 8.2 Abs. 3 a.E.). Mischunternehmen bzw. -betriebe, die arbeitszeitlich nicht überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betreiben und die ihre nicht verliehenen Arbeitnehmer nach dem für sie geltenden Branchentarifvertrag beschäftigen, können vom Gleichstellungsgrundsatz (§ 8 Abs. 1 Satz 1) abweichen, wenn dieser Tarifvertrag eine ausdrückliche Klausel enthält, wonach er im Falle des Verleihs des Arbeitnehmers ebenfalls anwendbar ist.

Aus der neu in die FW AÜG eingefügten Bestimmung ergibt sich nunmehr ausdrücklich die im Rahmen von Prüfungen auch schon in der Vergangenheit von der BA vertretene Ansicht, dass eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz bei Mischbetreiben nur zulässig ist, wenn die tariflichen Regelungen der Zeitarbeit sowohl die Zeiten des (Nicht-)Einsatzes im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung als auch bei Werk-/Dienstverträgen vereinbart und angewendet werden.

Ansicht der BA: Anwendung der Tarifwerke der Zeitarbeit auch bei Werk-/Dienstverträgen

Auf Grundlage der bisher in der Praxis bei vielen Mischbetrieben gelebten Konzeption ist es so, dass ein Tarifwerk der Zeitarbeit – oftmals aufgrund von befristet mit dem Mitarbeiter geschlossenen Zusatzvereinbarungen – nur gelten soll, wenn dieser tatsächlich im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung tatsächlich eingesetzt wird bzw. werden soll (für die Zulässigkeit ausdrücklich: Tschöpe/Bissels, Teil 6 D Rn. 118 m.w.N.).

Mischbetriebe müssen sich nun aufgrund der eindeutigen Weisungslage die Frage stellen, ob die nur teilweise (im Bedarfsfall) überlassenen Arbeitnehmer in Gänze dem Regime der Tarifwerke der Zeitarbeit unterworfen werden (auch in Zeiten, in denen diese z.B. im Rahmen von Werk-/Dienstverträgen tätig sind) oder ob diese an der bisher gelebten Struktur festhalten. Dies wird im Zweifel zu einer Beanstandung in der nächsten Prüfung der BA oder sogar zu darüber hinaus gehenden erlaubnisrechtlichen Maßnahmen führen.

Müssen Mischbetriebe Tarifwerke der Zeitarbeit anwenden? Gerichtliche Klärung dürfte absehbar sein!

Gesamtbetrachtend wirkt die von der BA vorgenommene Ergänzung so, als wolle die Behörde die Niederlage vor dem BSG im Jahr 2016 (Urteil v. 12. Oktober 2016 – B 11 AL 6/15 R) zu kompensieren versuchen. Zwar ist nunmehr – entgegen der vormals von der BA vertretenen Auffassung – höchstrichterlich geklärt, dass die Tarifwerke BAP/DGB und iGZ/DGB auch Mischbetriebe erfassen (und daran gibt es nichts zu rütteln), aber anstatt als „guter Verlierer″ erhobenen Hauptes vom Platz zu gehen, scheint die BA weiterhin bestrebt zu sein, Mischbetrieben das Leben schwer machen zu wollen. Wenn man diese schon nicht ausschließen kann, dann sollen diese die Tarifwerke der Zeitarbeit ohne Wenn und Aber anwenden – auch bei Konstellationen, die mit einer Arbeitnehmerüberlassung schlicht nichts gemein haben, nämlich bei Werk- und Dienstverträgen.

Dass sich dies „beißt″, dürfte auf der Hand liegen. Abgesehen davon überzeugt diese Ansicht auch in rechtlicher Hinsicht nicht: in § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG wird festgelegt, dass der Gleichstellungsgrundsatz nur für die Zeit der Überlassung des Zeitarbeitnehmers an den Kunden gilt. Die gesetzlich vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten gem. § 8 Abs. 2, 4 AÜG beziehen sich auf diese „Grundregel″, so dass deren Abbedingung auch nur für die Zeit der Überlassung möglich sein muss, selbst wenn während der Nichtüberlassung ein anderer Tarifvertrag oder sonstige (individualvertraglich) vereinbarte Bestimmungen für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sind.

Vor diesem Hintergrund dürfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon feststehen, dass die von der BA vertretene, u.E. jedoch nicht überzeugende Ansicht streitbefangen ist und im Ergebnis über kurz oder lang die Gerichte befassen wird.