Mit Urteil vom 12. Juni 2019 (12 O 263/18) hat das Landgericht (LG) Düsseldorf entschieden, dass das Schauspielhaus Düsseldorf nicht berechtigt ist, die von dem Tonkünstler Parviz Mir-Ali für das Schauspielhaus Dresden komponierte und arrangierte Musik zu „Der Idiot“ von Fjodor Dostojewski aufzuführen. Dies verletze die Urheberrechte des Frankfurter Komponisten.
Sachverhalt
Kläger ist der bekannte deutsch-iranische Komponist, Sounddesigner und Filmproduzent Parviz Mir-Ali. Dieser hatte im Jahr 2015 die Musik zu dem Bühnenstück „Der Idiot“ des russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski in einer Inszenierung für das Staatsschauspiel Dresden komponiert. Im Jahr 2016 übernahm das Düsseldorfer Schauspielhaus die Dresdener Inszenierung zusammen mit der von Mir-Ali komponierten Musik. Für die Spielzeit 2016/2017 zahlte das Schauspielhaus dem Tonkünstler eine pauschale Vergütung; für die folgenden Spielzeiten 2017/2018 und 2018/2019 verweigerte es jedoch weitere Vergütung unter Hinweis auf Zahlungen an die GEMA. Der Kläger sieht mit den Aufführungen im Schauspielhaus Düsseldorf seine Urheberrechte verletzt.
Entscheidung
Das LG Düsseldorf hat der Klage stattgegeben; die zur Inszenierung gehörende Musik sei mit den gezahlten GEMA-Gebühren allein nicht abgegolten.
Nach Auffassung des Gerichts ist die von Mir-Ali komponierte Musik ein Werk der Tonkunst, das im Rahmen der Inszenierung von Dostojewskis „Der Idiot“ bühnenmäßig dargestellt werde. Nach ständiger Rechtsprechung werde Musik, die bewegtes Spiel begleitet, im Sinne des § 19 Abs. 2 des Urhebergesetzes bühnenmäßig dargestellt, wenn sie integrierender Bestandteil des Spielgeschehens und nicht nur bloße Untermalung sei. Nach Inaugenscheinnahme eines Mitschnitts der Inszenierung zur Feststellung dieser Voraussetzung kam das LG zu der Einschätzung, die Dramaturgie des gesprochenen Wortes verbinde sich in diesem Fall mit der Musik zu einer Einheit. Das gelte, obwohl die Musik nur 30 Minuten der Gesamtspieldauer von knapp drei Stunden umfasse.
Da es sich bei dem Musikwerk des Klägers um eine bühnenmäßige Darstellung handele, habe das Schauspielhaus Düsseldorf von der GEMA keine Nutzungsrechte erwerben können. Nach § 1 lit. a GEMA-Berechtigungsvertrag könnten zwar Musikrechte, nicht jedoch Rechte an der bühnenmäßigen Aufführung, erworben werden.
Die Summe der ausstehenden Vergütung, die das Schauspielhaus Mir-Ali nachträglich zahlen muss, steht noch nicht fest. Das Urteil ist zudem nicht rechtskräftig. Es kann noch Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eingelegt werden.
Fazit
Der Fall ist ein gutes Beispiel für die oftmals schwierige Unterscheidung zwischen bühnenmäßiger und nicht bühnenmäßiger Aufführung. Sie ist deshalb von großer Bedeutung, weil die Komponisten von Bühnenmusik die sogenannten „kleinen Rechte“ von der GEMA wahrnehmen lassen, während die Bühnenaufführungsrechte, die sogenannten „großen Rechte“, in der Regel an Bühnenverlage vergeben werden. Nach § 1 lit. a des Berechtigungsvertrags lässt sich die GEMA die Aufführungsrechte an Werken der Tonkunst übertragen, jedoch „unter Ausschluss der bühnenmäßigen Aufführung dramatisch-musikalischer Werke“. Der Ausschluss umfasst dabei auch die bühnenmäßige Aufführung sonstiger Werke der Tonkunst als integrierende Bestandteile dramatisch-musikalischer Bühnenstücke. Für eine solche Integration muss das Musikwerk derart mit dem bühnenmäßig dargestellten Werk verbunden sein, dass die Darbietung für das Auge oder mittels Gesang zugleich als Wiedergabe des Musikwerkes erscheint. Dies hat das LG Düsseldorf im vorliegenden Fall offensichtlich bejaht. Es wird abzuwarten sein, ob das OLG – so der Fall in die Berufungsinstanz geht – dies möglicherweise anders sieht.