Am 16. April 2015 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den lange erwarteten ersten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie (RL 2014/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten durch Verbesserung des Erwerbs und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen) an Verbände und sonstige Interessenvertreter übersandt. Der Entwurf enthält viele der erwarteten Veränderungen der Rechtslage zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) und könnte für Unternehmen zu signifikanten Mehrkosten führen. Die Regelungen sollen 2018 in Kraft treten.

Im Einzelnen finden sich die folgenden Regelungsinhalte:

Unverfallbarkeit dem Grunde nach

Der Entwurf sieht in Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie vor, dass für Zusagen ab 2018 Beschäftigten eine vom Arbeitgeber finanzierte Betriebsrentenanwartschaft bereits dann erhalten bleiben soll, wenn das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 21. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre bestanden hat.

Die Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist (heute 5 Jahre) und des Lebensalters der Beschäftigten (heute 25 Jahre), bis zu dem die Anwartschaft verfällt, führt bei einer unveränderten Bereitschaft der Arbeitgeber, Betriebsrenten anzubieten, dazu, dass mehr Betriebsrentenanwartschaften als bisher erhalten bleiben und die entsprechenden Kosten für die Arbeitgeber steigen.

Unverfallbarkeit der Höhe nach

Der Entwurf sieht einen neuen § 2a BetrAVG vor, der den bisherigen § 2 Abs. 5 BetrAVG ablösen soll. Nach der geltenden Regelung sind unverfallbare Anwartschaften grundsätzlich statisch. Damit werden vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer unter Umständen schlechter gestellt als Beschäftigte, die bis zum Rentenbeginn im Unternehmen verbleiben. Dies hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 2 Abs. 5 BetrAVG erkannt und zugunsten einer Steigerung der Praktikabilität der Regelung in Kauf genommen. 

Die Mobilitätsrichtlinie hingegen verlangt von dem deutschen Gesetzgeber sicherzustellen, dass ruhende Anwartschaften vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer grundsätzlich nicht anders behandelt werden dürfen als die Anwartschaften im Unternehmen verbleibender Arbeitnehmer. Die Neuregelung in dem Referentenentwurf legt deshalb fest, dass bei der Berechnung des Teilanspruchs eines mit unverfallbarer Anwartschaft ausscheidenden Arbeitnehmers Veränderungen der Versorgungszusage und der Bemessungsgrundlagen zu berücksichtigen sind; dies gilt auch für Veränderungen der Versorgungszusage und der Bemessungsgrundlagen anderer Versorgungsbezüge, die im Rahmen etwa von Gesamtversorgungszusagen eine Rolle spielen. 

Anwartschaften ausgeschiedener Beschäftigter sind demnach künftig für Beschäftigungszeiten ab 2018 dynamisch und müssen angepasst werden, es sei denn das betreffende Versorgungswerk wurde vor dem 20. Mai 2014 für neue Beschäftigte geschlossen. 

Ausnahmen hiervon gelten, wenn die Betriebsrentenanwartschaft als nominales Anrecht festgelegt ist. Dazu sollen neben Festbetragszusagen („500 Euro Betriebsrente im Alter 67”; „10 Euro pro Dienstjahr”) auch Zusagen zählen, die zwar eine Euro-Summe nicht direkt nennen, bei denen eine Euro-Summe aber beim Erwerb der Anwartschaft bereits ermittelt werden kann (z. B. “pro Dienstjahr 2 Prozent des Jahreseinkommens”). 

Nicht zu den Ausnahmen sollen sogenannte endgehaltsbezogene Zusagen (z. B. „10 Prozent des Gehalts im Alter 67”) zählen, die eine unbestimmte Einkommensdynamik enthalten. Bei solchen Zusagen verspricht der Arbeitgeber nicht nur einen bestimmten Prozentsatz des Arbeitseinkommens, sondern auch, dass sich der aus diesem Prozentsatz ergebende Anspruch entsprechend der den eigenen Lebensstandard bestimmenden Gehaltsentwicklung erhöhen wird. Auf diese Dynamik soll ein mobiler Arbeitnehmer genauso wenig verzichten müssen wie sein im Unternehmen verbleibender Kollege. Solche Zusagen dürften allerdings wegen der damit verbundenen Kalkulationsschwierigkeiten in der Praxis nur noch selten vorkommen. 

Ebenfalls nicht zu dynamisieren sollen Zusagen sein, in die bereits ein Zinssatz integriert ist. In diesen Fällen liegt keine Ungleichbehandlung der vorzeitig Ausgeschiedenen vor, da die Verzinsung gleichermaßen den ausgeschiedenen wie den im Unternehmen verbliebenen Beschäftigten zugutekommt. 

Schließlich soll eine Anpassung der ruhenden Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer auch dann nicht erforderlich sein, wenn die Erträge eines Pensionsfonds, einer Pensionskasse oder einer Direktversicherung beiden Beschäftigtengruppen zugutekommen. 

Der Arbeitgeber kann seiner Verpflichtung zur Dynamisierung der Anwartschaften dadurch nachkommen, dass er die Anwartschaft gemäß der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen in seinem Unternehmen oder der von ihm gezahlten Betriebsrenten oder entsprechend dem Verbraucherpreisindex anpasst.

Informationspflichten

Der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger müssen den Versorgungsberechtigten künftig auf ausdrückliches Verlagen in Textform (also z. B. per e-Mail) darüber informieren, (1) ob und ggf. wie eine Betriebsrentenanwartschaft erworben wird, (2) wie hoch diese ist, (3) wie sich ein Ende des Arbeitsverhältnisses auf sie auswirkt und (4) wie sie sich anschließend weiterentwickelt. 

Die Auskunft muss sich damit nicht nur auf den aktuellen Stand der Anwartschaft beziehen, sondern auch darauf, wie hoch die Betriebsrente zum Rentenbeginn voraussichtlich sein wird, wenn der Beschäftigte im Unternehmen bleibt und weiterhin Anwartschaften erwirbt.

Auch ausgeschiedene Arbeitnehmer und Hinterbliebene sollen einen Anspruch darauf haben zu erfahren, wie hoch ihre Betriebsrentenanwartschaften sind und wie sich diese weiterentwickeln werden.

Zu beachten sind die Anforderungen an die Verständlichkeit der Darstellung. Was verständlich ist, orientiert sich am Empfängerhorizont, also an dem Verständnis und der Einsichtsfähigkeit eines durchschnittlichen Versorgungsberechtigten. Angesichts der Komplexität der darzustellenden Materie dürfte dies eine große Herausforderung für Unternehmen werden, die betriebliche Altersversorgung anbieten.

Änderung des Einkommensteuergesetzes

§ 4d des Einkommensteuergesetzes (EStG) regelt den Umfang der als Betriebsausgaben abziehbaren Zuwendungen des Arbeitgebers an eine Unterstützungskasse. Die Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen und des Mindestalters für die Unverfallbarkeit wird durch eine Neufassung des § 4d EStG steuerlich flankiert.

Aufgrund der Änderung der arbeitsrechtlichen Unverfallbarkeitskriterien wird das steuerliche Mindestalter der Leistungsanwärter für erstmals nach dem 31. Dezember 2017 zugesagte Versorgungsleistungen von 27 auf 23 Jahre herabgesetzt. 

§ 6a EStG regelt Ansatz und Bewertung von Rückstellungen, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Direktzusagen (Pensionszusagen) an seine Arbeitnehmer in der steuerlichen Gewinnermittlung zu bilden hat. Da der Referentenentwurf vorsieht, dass die Unverfallbarkeitsfristen für Versorgungsanwartschaften, die auf Zusagen ab 2018 beruhen, von fünf auf drei Jahre und das Mindestalter für die Unverfallbarkeit vom 25. auf das 21. Lebensjahr verkürzt werden, ist zur Gewährleistung eines versicherungsmathematisch zutreffenden Ansatzes der Pensionsverpflichtungen in der steuerlichen Gewinnermittlung eine Anpassung des Mindestalters in § 6a EStG erforderlich. Das bisherige Mindestalter von 27 Jahren wird dementsprechend für Zusagen ab 2018 auf 23 Jahre gesenkt. Wenn Sie sich weiter zu diesem Thema informieren möchten, können Sie sich gern mit dem Autor in Verbindung setzen.